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Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Caldwell
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dass Lolly die ihrem Freund gezollte Anerkennung auf ihn übertrug. Um seinen Wunsch zu bekräftigen, genehmigte er sich einen besonders herzhaften Zug aus dem Glas.
    Sein nächster Pfeil streifte den Drahtrand und hüpfte weg. Mit dem zweiten schaffte er eine annehmbare Double-9. Der dritte Dart bohrte sich aus unerklärlichen Gründen in die Triple-19. Man bedachte ihn mit geräuschvollem Geraune, das mehr der Überraschung als einer Anerkennung entsprang. Er zog die Pfeile aus der Scheibe und eilte zurück hinter die Wurflinie. Lolly blickte zu ihm, bildete er sich ein. Er nickte ihr zu, doch sie verzog keine Miene. In Wirklichkeit hatte sie gar nicht zu ihm geschaut, sondern zu dem Mann, mit dem sie gekommen war. Das stachelte Aaron an, er spielte wie ein Besessener. Mit dem Schweinemann zur Seite, der ihm suggerierte, welche Zahlen am besten in ihr Schema passten, ließ er die Pfeile sausen und erzielte mit jedem Wurf unfehlbar die benötigten Punkte in der bestmöglichen Reihenfolge. Der Wettstreit wurde spannend. Unterdrücktes Gemurmel drang an sein Ohr, »Aahs« von Lolly kamen nicht. Er nahm sich vor, erst wieder zu ihr zu schauen, wenn er und der Schweinemann im Vorteil waren. Dann aber würde er in ihre Richtung blicken, und zwar nicht erst beim Zurückholen der Pfeile, sondern gleich, nachdem er die entscheidenden Punkte gemacht hatte. Wie es ein wirklich aufregendes Spiel verlangte, warfen die Paare ihre Pfeile in rascher werdender Folge und erreichten zunächst Gleichstand, und dann, als hätte das Schicksal es so beschlossen, traf Aaron die Triple-19, und damit lagen er und der Schweinemann endgültig vorn.
    Aaron warf einen Blick über die Schulter. Lolly sah nur zu ihrem Freund hin, der ungläubig auf die Darts in seinerHand starrte. Er rieb die Flügelenden der Pfeile gegen seine Wange und nutzte sie, um sich die Spitze seiner wohlgeformten Nase zu kratzen. Dann ließ er die Hand sinken. An Lolly verschwendete er keinen Blick. Sie aber hörte nicht auf, ihn anzusehen. Wärme und Mitgefühl strömten ihm nicht nur aus ihren Augen, sondern aus ihrem ganzen Körper entgegen. Ihre hingebungsvolle Haltung, derer sie sich nicht bewusst war, drückte unmissverständlich dem Freund geltende Teilnahme aus, sprach ihm bei aller Betrübnis Mut zu, gab ihm die Gewissheit, dass auch eine Niederlage nicht unbelohnt bleiben würde.
    Währenddessen instruierte der Schweinemann seinen Partner, auf welche Felder er zielen sollte, und der nickte zustimmend. Weitere Biere wurden bestellt, und weitere Pints wurden getrunken. Das Endspiel stand bevor.
    Da sich die Masse der Underdogs, fatalistisch vorwärtsdrängend, was gewöhnlich einer Beethoven-Sinfonie vorbehalten ist, aus allen Ecken näherte, war die Gruppe der Zuschauer zu einer kleinen Volksmenge angewachsen. Die meisten der Herbeiströmenden hatten ihre Gläser abgestellt, so dass Beifallklatschen während dieser Schlussphase möglich wurde. »Das ist einer von den McClouds«, wurde rundum getuschelt. »Aaron heißt er«, ergänzten einige, »Aaron McCloud, der Neffe.« Und andere fügten hinzu: »Das ist der mit dem Schwein.«
    Aaron war dran. Bei 110 verbleibenden Punkten war es mathematisch möglich, auf die erforderliche Null zu kommen. Der Schweinsköpfige erteilte seine Weisungen: eine Single-20, eine Triple-18, eine Double-18. Aaron starrte wenige Momente auf die Wurfscheibe. Aus einer verschwommenen Region tief in seinem Gehirn tauchte eine andere Strategie auf, und der wollte er folgen: eine Triple-20, dann blieben 50 übrig. Mit einem Double-Bull wäre es zu schaffen.
    Absolute Stille. Aaron trat an die Linie, zielte und warf.Die Triple-20. Erstauntes Durchatmen, dann schwieg alles. Ein Double-Bull, und ihm gehörte die Welt. Aaron holte tief Luft. Allen im Raum stockte der Atem. Er peilte die Dartscheibe an, wartete, bis er die Scheibe mit ihren Ringen genau im Blickfeld hatte. Jetzt sah er alle Einzelheiten glasklar, als wäre es um eine letzte Korrektur gegangen, mehr in der Scheibe selbst, nicht in seiner optischen Wahrnehmung. Er holte aus und warf. Eine höhere, bislang nicht offenbar gewordene Macht griff unmittelbar ein: Der Pfeil saß im Double-Bull.
    Schreie, Ausrufe, Flüche. Aaron wurde an die Bar geschoben, wurde von seinen Bewunderern mitgerissen. Man schlug ihm auf den Rücken, auch auf den Hintern, drückte ihm die Arme, schüttelte ihm die Hände, verwuschelte ihm das Haar, tätschelte ihm die Wangen – alles, was den Begeisterten

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