Das Schwert der Keltin
wieder zu dem Jungen geworden, den sie einst gekannt hatten; einzig seine Augen blieben die eines Erwachsenen, und sein Blick war undurchdringlich.
»Nein!« Caradoc war aufgestanden, den Kopf hoch erhoben, und er hielt seine Wut nun nicht mehr länger zurück. Mit leiser, doch eindringlicher Stimme sagte er: »Was auch immer Amminios dir erzählt haben mag, was auch immer du zu glauben beschlossen hast, du kannst unmöglich der Ansicht sein, dass ich Breaca hintergangen hätte. Das erlaube ich einfach nicht. Deine Schwester ist mein Ein und Alles, ist für mich die Sonne, die des Morgens aufgeht. Das war sie schon von unserer ersten Begegnung an, und das wird sie auch immer bleiben, bis ich sterbe und sogar noch darüber hinaus. Genauso wenig, wie ich die Kehle unserer neugeborenen Tochter durchschneiden könnte, genauso wenig würde ich Breaca hintergehen. Und wenn Amminios dir etwas anderes erzählt hat, dann hat er dich schlichtweg angelogen - um dir wehzutun.«
»Vielleicht aber hat er - von mir aus tatsächlich mit der Absicht, mich zu verletzen - auch die Wahrheit gesagt?« Valerius’ Lippen verzogen sich verächtlich. »Die Söhne des Cunobelin waren schon immer berühmt für ihre flinke Zunge. Da kannst du dich von mir aus winden, so viel du willst, um noch den letzten Rest deiner Würde zu retten, aber ich habe selbst gehört, wie dein Bruder genau darüber mit seinem Verwalter sprach - und das in einem Augenblick, als er überhaupt nicht wissen konnte, dass ich ihn belauschte. Er hatte also gar keinen Grund gehabt, zu lügen. Du dagegen hast so viele Gründe, dass man sie schon gar nicht mehr zählen kann. In dieser Angelegenheit ziehe ich es also vor, lieber den Toten als den fast Toten Glauben zu schenken.«
»Du glaubst eher Amminios als mir?«
»Ja.«
Báns Stimme war von absoluter Gewissheit erfüllt. Allein in seinen Augen zeigte sich nun eine erste Andeutung von Zweifel.
Dubornos trat einen Schritt auf Bán zu. »Bán, du kannst doch unmöglich glauben...«
»Aber er muss es doch glauben, er kann gar nicht anders«, unterbrach Caradoc ihn. »Sein ganzes Leben hängt davon ab, nicht wahr, Valerius?« Caradoc sprach auf Eceni, und hart hob sich Báns lateinischer Name aus dem weichen Fluss der Eceni-Silben heraus. »Was für Lügen hat dir Amminios damals denn sonst noch erzählt? Hatte er dir eingeredet, dass deine gesamte Familie tot sei und dass es kein Zuhause mehr für dich gäbe, zu dem du zurückkehren könntest? Vielleicht sogar, dass man dich für die Niederlage im Reiherfuß-Tal verantwortlich machen würde? Er konnte so gut lügen, mein Bruder. Ich weiß das. Ich bin schließlich im Schatten seiner Doppelzüngigkeit aufgewachsen. Und um dem zu entfliehen, bin ich bereits mit zwölf Jahren zur See gefahren. Du aber hattest nichts, wohin du fliehen konntest, ist es nicht so? Amminios hatte dir alle Rückwege bereits versperrt. Was also hättest du getan, wenn du gewusst hättest, dass Breaca die Schlacht überlebt hatte? Wärst du nach Hause gekommen, um sie zu suchen, um an ihrer Seite gegen die Eroberung durch Claudius’ Truppen zu kämpfen? Wärst du vielleicht sogar bereit gewesen, für Breaca zu sterben?«
Caradoc sprach augenscheinlich nur noch zu einem Geist. Kalkweiß im Gesicht, seine Augen wie dunkle Höhlen in einem Totenschädel, stand Bán noch immer reglos und wie erstarrt im Türrahmen. Er schluckte und öffnete den Mund, doch es kam kein Laut über seine Lippen.
»Und wenn du jetzt die Wahl hättest«, fuhr Caradoc fort, »würdest du dann immer noch...«
Dubornos legte Caradoc eine Hand auf die Schulter. »Genug. Hör auf. Er weiß es. Und wenn du jetzt noch weiter in ihn eindringst, macht das alles nur noch schlimmer.«
Bán - Valerius - brachte nun zumindest ein raues Lachen zustande. »Schlimmer? Es gibt überhaupt nichts, was du sagen könntest, das alles nur noch schlimmer machen würde. Du lügst doch - jedes Wort eine einzige Lüge und vollkommen wertlos. Es wäre bestimmt ganz amüsant, noch weiter mit dir zu plaudern, aber der Kaiser hat andere Pläne. Die Massen müssen unterhalten werden, und die Hinrichtung anderer Menschen empfinden sie nun mal als höchst kurzweilig. Euer Todeskampf wird also schon sehr bald beginnen. Und irgendwann wird er schließlich vorbei sein. Ich aber werde fortfahren, meinem Kaiser und meinem Gott zu dienen, so gut ich nur irgend kann. Bis eure verfluchten Träumer...«
»Halt!« Mühelos konnte Caradoc noch immer anderen
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