Das Schwert der Keltin
Platzen, und es war plötzlich geradezu unmöglich, zu atmen, geschweige denn zu denken. Dubornos, der dies alles bereits geahnt hatte, drückte Halt suchend die Hand gegen die Wand und versuchte gar nicht erst, etwas zu erwidern. Caradoc aber, der keine solche Warnung erhalten hatte, starrte Bán nur regungslos an - völlig entgeistert und unfähig, seinen Blick abzuwenden. Allein sein Wille, der schließlich schon ganze Armeen befehligt hatte, hielt ihn jetzt noch davon ab, die Hände auszustrecken und über das Gesicht des Mannes zu streichen, der ihm dort im Türrahmen gegenüberstand. Doch selbst dieser Wille konnte nicht den Ausdruck des Schocks aus seiner Stimme verbannen.
» Bán?«
» Bán von den Eceni, Bruder der Bodicea?« Der dunkelhaarige Offizier schüttelte den Kopf. »Ganz sicher nicht. Ich bin Julius Valerius, Dekurio der Ersten Thrakischen Kavallerie. Bán ist schon vor langer Zeit und durch die Hand von Amminios, Bruder von Caradoc, gestorben. Ich bin nicht Bán.«
Seine Verneinung schuf Tatsachen. Dachte man sich die Rüstung weg, dann war er ganz der Sohn seiner Mutter; sein Haar, die hohen Wangenknochen und der schmale Schnitt seines Gesichts, seine langen, schlanken Finger und das Lächeln, das immer erst ein wenig schief wirkte und einst so fröhlich erstrahlt war. Alle diese Eigenschaften ließen ihn noch einmal zu jenem Kind werden, das Caradoc und Dubornos früher einmal gekannt hatten - doch rasch verzerrte sich das Bild des Jungen Bán wieder zu dem nun vor ihnen stehenden Mann; jenem Mann, der ihnen so fremd war, als wäre er ein vollkommen anderer Mensch. Und doch war er Bán.
Wenn die Wachen Cunomar und Cygfa niedergemetzelt und ihm ihre Köpfe vor die Füße geschleudert hätten, so hätte Caradoc sich wahrscheinlich besser im Griff gehabt, denn das zumindest war etwas, das er noch einkalkuliert hatte. Jetzt aber brachen die Würde und die vielen, sorgfältig aufgebauten Schichten der Selbstkontrolle plötzlich auseinander, fielen von ihm ab. Sein Blick wanderte von der im Türrahmen lehnenden Gestalt hinüber zu Xenophon und wieder zurück. Nach dem dritten Mal heftete sich sein Blick stattdessen auf Dubornos, und eine schlagartige Erkenntnis erhellte Caradocs gerade eben noch so erschütterten Verstand. »Du wusstest es«, sagte er. »Wie lange schon?«
»Seit unserer Gefangennahme bei der Hügelkette. Zuerst war ich mir nicht sicher gewesen, aber dann hatte er mir sein Messer geliehen, um Hail vom Leben zu erlösen - an das Bittgebet an Briga konnte er sich nämlich nicht mehr erinnern. Und wer sonst in der Welt hätte so etwas getan?«
Von der Tür her erwiderte ätzend die nur allzu vertraute Stimme: »Du wusstest es schon vorher. Und zwar seit unserem Aufeinandertreffen bei der Lachsfalle im Land der Eceni, vor fünf Jahren. Damals hast du mich genauso erkannt wie ich dich.«
»Nein. Ich wusste nur, dass du mich hasstest, aber nicht, wer du warst oder warum du so empfunden hattest. Denn zu viele Nächte hatte ich damit verbracht, über die Träumer zu wachen, während diese verzweifelt versuchten, deine verlorene Seele wiederzufinden und sie in die Obhut Brigas zu überführen. Außerdem erwartet man gewiss nicht, genau diese Seele dann quicklebendig in den Wirren einer Schlacht und auf der Seite des Feindes kämpfen zu sehen.« Fast zwei Monate lang hatte Dubornos nun schon mit diesem Wissen gelebt, wollte es eigentlich auch bloß rasch wieder vergessen. Jetzt aber, wo er mit der unleugbaren Realität konfrontiert wurde, raubte ihm die Wucht der Erkenntnis geradezu die Worte. »Denn wenn ich dich erkannt hätte, dann hätte ich nicht eher geruht, als bis ich dich getötet hätte, meinst du nicht auch? Denn wir hassten dich und dachten, du wärst ein Römer durch und durch. Und was meinst du, um wie viel mehr wir dich noch verabscheut hätten, wenn wir das ganze Ausmaß deines Verrats gekannt hätten?«
»Ja, um wie viel mehr wohl?« Die schwarzen Augen schienen Dubornos zu verhöhnen. »Ich bin enttäuscht. Ich hatte wirklich geglaubt, dass du wusstest, wer ich bin. All die Jahre der Rache - vergeudet.«
Unfähig, darauf noch irgendetwas zu erwidern, zischte Dubornos nur durch die Zähne. Das aber riss Caradoc aus seinen Gedanken, und nun ergriff er wieder das Wort: »Warum hast du es mir nicht gesagt?«, fragte er Dubornos.
»Welchen Sinn hätte das denn gehabt? Würdest du deinem Tod gelassener ins Auge sehen, wenn du gewusst hättest, dass Breacas verlorener
Weitere Kostenlose Bücher