Das Schwert der Keltin
gedämpften Meergrün überstrichen hatte. Nahe der Decke schwammen kleine Fische, und der Boden war mit sandgrauen Fliesen ausgelegt worden, so dass man das Gefühl haben konnte, man befände sich drei Meter unter dem Meeresspiegel und blickte hinauf in eine Welt aus Luft und Licht. Bei Tage würde das Zimmer sicherlich einen gefälligen Eindruck machen. Nachts jedoch, mit nur einem einzigen glühenden Kohlebecken und einem Gestell, an dem zwar einige Hängelampen baumelten, die aber nur einen sehr schwachen Lichtschimmer in die Dunkelheit entsendeten, erinnerte der Raum eher an den Fluss nördlich von Camulodunum: schlammig, feucht und begleitet von einem modrigen Geruch. Der Sklavenjunge nickte einmal kurz und entschwand gleich darauf wieder. Auch diese Tür war, wie schon die davor, ungewöhnlich gut geölt.
Die Kammer war leer, und dies sollte für eine ganze Weile auch noch so bleiben. Valerius war hungrig und allein. Keines von beidem aber war ihm sonderlich fremd, und besonders Letzteres gefiel ihm immer noch besser als so manche Alternative, die er auf See kennen gelernt hatte. Er wuchtete seinen Seesack in eine der Ecken, schnürte ihn auf und schob seinen Dolch an einen Platz, wo er ihn im Notfall rasch ergreifen konnte, ließ sich dann anschließend gegen die am weitesten von den Lampen entfernt liegende Wand sinken und konzentrierte sich schließlich auf das Warten. Sein halbes Leben diente Valerius nun schon in den Legionen, und noch vor allen anderen Fähigkeiten hatte er dort eines gelernt: zu warten. Wenn er sich nur genügend darauf konzentrierte, dann, da war er sich sicher, konnte er sogar das Wiedererwachen der Sphinx aussitzen.
Valerius hatte erwartet, dass schon bald der ehemalige Sklave Narcissus erscheinen würde, oder zumindest Callistus, der Schatzmeister; schließlich hieß es doch von beiden, dass sie nach wie vor dem Kaiser treu ergeben wären. Letztendlich aber war es Xenophon, der griechische Arzt, der ihn aufsuchte, und dieser Umstand missfiel Valerius stärker, als er sich jemals eingestanden hätte. Zumal dieser Mann - allein durch seine Anwesenheit - auch immer einige Geister mit sich brachte. Valerius stand im Halbdunkel und verstärkte im Stillen noch einmal seine imaginären, ihn schützend umgebenden Mauern, konzentrierte sich auf die Details in den Gesichtszügen des Griechen und verbannte energisch jeden Gedanken daran, dass sich nun womöglich auch noch ein paar andere in den Schatten verborgene Wesen zu ihnen gesellt haben könnten.
In Xenophons Zügen gab es in der Tat etwas zu entdecken. Selbst unter den schummrigen Lichtverhältnissen war deutlich zu erkennen, dass der Mann in den Jahren seit ihrer letzten Begegnung stark gealtert war. Der Arzt, der einst das Zusammentreffen zwischen Valerius und seinen ehemaligen Stammesbrüdern arrangiert hatte, war ein kräftiger Mann in den besten Jahren gewesen, von geradezu vibrierender Lebendigkeit, und hatte einen intelligenten Humor besessen. Jener Mann aber, der nun an der Schwelle zu dem Zimmer aus der Unterwasserwelt stand, zeigte eine Müdigkeit, die beinahe schon der vollkommenen Erschöpfung gleichkam. Sein Haar war vom Scheitel aus zurückgewichen, und das wenige, das an den Schädelrändern noch verblieben war und das einst in vornehmem Silber schimmerte, hatte sich in glatte Strähnen von beinahe durchscheinendem Weiß verwandelt. Seine Haut war gesprenkelt von Altersflecken und voller Fältchen. Die Nase bog sich wie der Schnabel eines Habichts über ein Gesicht, das für ihre Größe entschieden zu schmal war.
»Habt Ihr schon gegessen?«, fragte Xenophon aus dem Zwielicht außerhalb des Lichtkegels der Lampen heraus. Seine Stimme hatte den gleichen Tonfall wie jene von Theophilus, der noch immer als Feldarzt in der Festung zu Camulodunum diente und während der letzten beiden Jahre einen knappen, aber zweifellos kurzweiligen Briefwechsel mit Xenophon geführt hatte.
»Ich habe nichts mehr gegessen, seit ich auf dem Schiff war.« Valerius erhob sich. Seitdem hatte er auch nichts mehr getrunken, und Letzteres quälte ihn erheblich stärker, obwohl er dies jedoch nicht zu sagen wagte. »Kann man an diesem Ort denn noch unbesorgt etwas essen?«
Einen Augenblick lang schaute Xenophon Valerius schweigend an. Dann nickte er auf eine Art, als ob er damit eine ganz andere Frage beantwortete. »Ihr höchstwahrscheinlich schon«, sagte er. »Zumindest noch eher als in Britannien, nach allem, was man so hört.«
Das
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