Das Schwert der Keltin
konnte nur von Theophilus stammen. Valerius zuckte mit den Schultern. »Solange man in die westlichen Berge nicht mit weniger als einer Kohortenstärke aufbricht, ist auch Britannien noch ein recht sicherer Ort. Man sollte sich bei seinem Aufenthalt dort aber vor der Zwanzigsten Legion in Acht nehmen. Sie hat bekanntlich ziemliches Pech gehabt.« Valerius schenkte dem griechischen Arzt ein etwas verbittertes Grinsen, wollte ihn damit quasi herausfordern. Xenophon aber ging nicht darauf ein, und schließlich ergriff Valerius wieder das Wort: »Ihr hattet von Essen gesprochen?«
»Aber natürlich. Ich bitte um Verzeihung.« Xenophon beugte sich zur Tür hinaus und machte ein Zeichen. Daraufhin trat ein schlecht genährter Bursche mit glattem braunem Haar und einem schüchternen Blick ein. Er trug ein Tablett mit kaltem Aufschnitt, diversen Käsestücken und - gesegnet seist du, Junge! - einer vollen Karaffe Wein sowie zwei Bechern. Dann verbeugte er sich einmal vor Xenophon, musterte den Dekurio mit einem Blick voller beunruhigender, geschulter Neugier und blieb dann, obwohl er bereits entlassen worden war, noch einen Augenblick stehen.
»Philonikos, mein Schüler«, erklärte Xenophon, nachdem der Bursche sich endlich entfernt hatte. »Ich hatte zwar immer geschworen, dass ich niemals einen annehmen würde, schließlich habe ich mich aber doch dazu überreden lassen, in diesem Falle eine Ausnahme zu machen.«
»Und? Bereut Ihr Euren Entschluss?« Valerius hatte sich zwischenzeitlich auf der Kleidertruhe niedergelassen und balancierte auf seinen Knien das Tablett mit dem Essen.
»Nein. Philonikos mag das von Zeit zu Zeit bestimmt bedauern, ich jedoch nicht. Vielmehr habe ich entdeckt, dass es in meinem Alter sogar ein recht angenehmer Gedanke sein kann, zu wissen, dass das Erlernte eines ganzen Lebens nicht mit seinem alten Hüter sterben muss.«
»In der Tat.« Der Wein - das Fass hatte man offensichtlich gerade erst angestochen - war schwer und stammte aus einem guten Anbaugebiet. Valerius atmete tief sein Bouquet ein, ähnlich wie ein Mann, der zu lange im Inneren eines Gemäuers hatte ausharren müssen, die frische Luft einsog. Gleich der erste Schluck verlieh seinen imaginären Schutzmauern zusätzliche Härte und Stabilität, so wie der Hafenkai von Ostia seinen Beinen und Eingeweiden wieder festen Halt verliehen hatte. Der zweite Schluck entband ihn von dem Verlangen, einfach nur Unsinn zu reden, und entspannt lehnte sich Valerius zurück. »Würdet Ihr mir nun vielleicht mitteilen, warum ich hier bin?«, fragte er schließlich.
»Was vermutet Ihr denn?«
»Auf jeden Fall nicht, um mit Euch Rätselraten zu spielen.«
»Nein. Das wäre in der Tat uns beiden gegenüber unfair.«
»Und gegenüber Theophilus?« Das war genau nach Art der Soldaten - Valerius hatte diese schon vor langer Zeit erlernt -, nach der es galt, die Waffen des Feindes immer ins offene Blickfeld zu rücken.
»Vielleicht.« Der alte Mann war müde, und den einzigen Sitzplatz im Raum hatte bereits sein Gast belegt. Überraschenderweise, zumindest, wenn man sein bewusst würdevolles Auftreten bedachte, setzte er sich nun einfach auf den Fußboden. »Wie ist das Leben in Britannien denn nun wirklich?«, fragte er. »Ich habe gehört, dass der neue Statthalter dem Abschlachten der Angehörigen der östlichen Stämme inzwischen ein Ende bereitet hätte. Das mildert dann doch sicherlich ein wenig die Spannungen, oder?«
Zwar hatte man Valerius nicht hierher bestellt, um über Politik zu diskutieren, doch lag darin zumindest eine gewisse Zuflucht, und erleichtert nahm er dieses Angebot an. »Ganz entschieden. Und folglich sind die Trinovanter und ihre Verbündeten gerade überglücklich. In den Westen jedoch hat unser Statthalter dennoch eine Zerstörungstruppe geschickt, die sich aus Teilen der Zweiten und der Zwanzigsten Legion zusammensetzt. Und das baut gerade ganz wunderbar die Kampfmoral der Silurer auf sowie die ihrer Verbündeten unter den Ordovizern und auf Mona. Im Norden dagegen lässt er Venutios seine Speere gegen die dort ansässigen Briganter erheben und erschüttert damit zugleich Cartimanduas Macht über die letzten Gefolgsleute, die dort noch ausharren. Wenn unser Statthalter also glaubt, der Kaiser verlange von ihm, die Stämme bei Laune zu halten, ihnen scheinbar Beistand zu leisten und sie in dem Glauben zu lassen, dass sie uns wohl bald endgültig aus ihrer Provinz vertrieben haben werden, dann, ja, dann ist er
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