Das Schwert der Keltin
seinem Unvermögen, jetzt noch die passenden Worte zu finden, lag Cygfas unausgesprochener Vorwurf. Siehst du? Du hast getötet, ohne einen Grund dafür zu haben. Ein wahrer Krieger tut so etwas nicht.
Mac Calma aber hatte augenscheinlich nichts von dem getöteten Boten gewusst. Er brach nun das Schweigen und sagte leise: »Danke. Sie werden sich jetzt zwar nicht zurückziehen, aber du hast dein Bestes gegeben, und dafür sind wir dir dankbar. Du kannst noch immer fliehen. Der Weg nach Westen ist frei und führt dich in die Dörfer derer, die nicht Rom unterstützen. Und wenn sie uns hier erst einmal umzingelt haben, denke ich nicht, dass sie dich noch verfolgen würden.«
Valerius stieß ein raues Lachen aus. »Aber wohin sollte ich mich denn anschließend wenden? Wenn ich schon in Rom und in Gallien als Verräter gelte, dann ebenso in Britannien. Und für einen Offizier, der Verrat an seinem eigenen Kaiser begangen hat, hat die Prima Thracum ganz bestimmt keine Verwendung mehr. Es scheint, als habe soeben mein Gott gesprochen. Den Sieg aber verspricht er mir nicht mehr. Vielleicht wird er mir in der Welt, die auf diese folgt, einmal erklären, warum.«
Damit wandte Valerius seinen Blick wieder hinaus in die Nacht, zog sein Schwert einmal durch die Beuge seines Ellenbogens und befreite die Klinge dadurch von dem sie bedeckenden Schlamm. Hell glitzerte es im Licht des aufgehenden Mondes und der Sterne. Valerius riss das Schwert empor und rief noch ein letztes Mal: »Du hast deine Wahl getroffen, Marullus! Jetzt erproben wir den Sohn gegen den Vater.«
Leiser und an seine Gefährten gewandt, so als ob er gerade seine Kavallerietruppe befehligte, fügte er hinzu: »Haltet euch bereit. Der Fels hindert sie daran, unsere Flanken anzugreifen, darum werden sie die halbe gallische Hilfstruppe als Speerspitze aussenden, um eine Bresche in die Mitte eurer Reihe zu schlagen, der Rest kommt dann von vorn in geschlossener Linie auf uns zu. Wenn die Speerspitze Erfolg haben sollte und ihr in zwei Gruppen zerrissen werdet, dann bildet Kreise, eure Rücken jeweils der Mitte zugewandt und die Schwächsten nach innen. Haltet euch so dicht an die Felsen, wie ihr nur könnt; sie werden euch als Schutzschild dienen.«
Noch einmal erhob Valerius sein Schwert zum Gruß, und auf seinem Gesicht zeichnete sich derselbe trockene, von Wein inspirierte Spott ab, dessen Maske er schon die gesamten zwei Wochen ihrer Reise getragen hatte. Zu niemandem Besonderen sagte er dann: »Viel Glück. Wenn eure Götter euch noch immer erhören, dann betet jetzt zu ihnen und bittet um einen raschen Tod im Kampf. Sie sind uns zahlenmäßig weit überlegen, auf einen von uns kommen mehr als drei von ihnen. Es sollte also nicht lange dauern.«
Wie sehr auch immer sie ihn hassen mochten, einen Feigling jedenfalls konnte man ihn nicht schimpfen. Cunomar hörte, wie Valerius in jenem Augenblick, ehe sich die beiden Reihen schlossen, laut und in einer Sprache, die weder Eceni war noch Gallisch oder Latein, eine - so schien es für ungeschulte Ohren - trotzige Litanei von Namen ausstieß. Am Ende ertönten, einer Anrufung gleich, drei mit harter Stimme gesprochene Worte in Eceni. Das letzte dieser Worte war der Name eines Hundes: Hail.
Mit bitterem Ungestüm verfluchte Valerius die mannigfaltigen Namen seines Gottes in der Sprache jener aus dem Osten stammenden drei Weisen aus dem Morgenland, denn sie hatten diesen Namen als Erste unter den Menschen verbreitet. Er wollte einfach nicht sterben. Und ohne Mithras’ Schutz wollte er auch nicht den Geistern gegenübertreten. Er wollte nicht gegen Marullus kämpfen, den er ebenso sehr achtete wie jeden anderen Offizier der Legionen, den er genau genommen sogar noch höher schätzte. Vor allem aber wollte er nicht in der Gesellschaft von Caradoc von den Drei Stämmen kämpfen und fallen, ganz gleich, ob dieser ihn nun hintergangen haben mochte oder nicht, und auch nicht in Gesellschaft von Luain mac Calma, ob dieser ihn nun gezeugt haben mochte oder nicht. Und wenn er nun trotzdem all dies tun musste, dann wollte er zumindest einen Schild haben, ganz verzweifelt sogar. Außerdem wünschte er sich Longinus Sdapeze herbei, der als einziger von allen Männern die Fähigkeit besaß, ihm vor einer Schlacht Mut zu machen, der ihn zum Lachen brachte und die unmöglichsten Wetten aufstellte, die den Krieg gleich weniger grausam und mehr wie ein Spiel erscheinen ließen.
Doch sein Gott beantwortete Valerius’ Flüche
Weitere Kostenlose Bücher