Das Schwert der Keltin
Cygfa stieß nun zu ihnen, mit bleichem Gesicht und wild fluchend, und scheuchte dabei einen tobenden Cunomar vor sich her, der unbedingt einen Feind töten wollte, auch wenn er bei dem Versuch selbst umkommen sollte. Nun umringte sie schützend eine Truppe von mit blauen Federn geschmückten Galliern, und endlich schien die Flucht möglich. Da aber brach Marullus, der sich bisher noch aus dem Kampfgetümmel herausgehalten hatte, um stattdessen Befehle zu erteilen, wie aus heiterem Himmel über sie herein und preschte voran.
»Verschwindet!«, schrie Valerius mit seiner Kampfesstimme und auf Eceni, wie er noch niemals zuvor gebrüllt hatte. »Flieht zu dem Schiff! Marullus gehört mir. Um mich zu kriegen, wird er euch entkommen lassen.«
Valerius hatte keine Zeit mehr, um zu sehen, ob man ihm auch gehorchte. Der Zenturio war ein wahrer Bulle, innerlich wie äußerlich, und ebenso leicht und sorglos, wie ein Bulle die ihn plagenden Sommerfliegen verscheuchte, knüppelte Marullus die Gallier nieder. Vor ihm und überall um ihn herum stürzten die Männer aus ihren Sätteln, während Marullus mit seinem Pferd durch die Kampflinien pflügte, um nun schließlich jenen Mann zu erreichen, den er seinen Sohn genannt und dessen Leben er die letzten vierzehn Tage bewusst geschont hatte.
Der gestohlene Schild war Valerius’ Rettung. Unter dem ersten Schwerthieb des Zenturio bekam er zwar einen Riss, doch er zerbrach nicht. Die Wucht des Hiebes allerdings lähmte Valerius’ Arm. Der zweite Schlag zielte nun seitwärts auf Valerius’ Kopf, und wäre nicht in diesem Augenblick seine Stute auf dem vom Blut der Gefallenen glitschig gewordenen Kies ausgerutscht, wäre er womöglich tatsächlich gestorben. So aber verfehlte der Hieb der Klinge sie beide. Sie war ein gutes Tier, doch hörte Valerius auch ihr schmerzerfülltes Schnauben, als sie sich wieder erhob, und augenblicklich wusste er, dass der Knochen in ihrem Vorderlauf gebrochen sein musste oder aber die Sehne gerissen war. Ein letztes Mal zerrte er hart an ihrem Maul, und wie gewünscht erhob sie sich auf ihren Hinterläufen hoch in die Luft. Der belgische Junge ließ sich nach hinten und in Sicherheit fallen. Der Rückschwung von Marullus’ Schwert jedoch traf die Stute genau am Kopf, und bis auf die Zähne hinab wurden ihre Muskeln und ihre Knochen von der rasiermesserscharfen Klinge durchtrennt. Sie schrie gellend auf und stürzte zu Boden, und aus ihren Nüstern schäumte karminrotes Blut. Das Schwert war so tief in sie eingedrungen, dass es sich fest im Knochen verkeilt hatte, und Marullus, der einfach nicht loslassen wollte, verlor das Gleichgewicht. Valerius aber war bereits aus dem Sattel gesprungen, ließ seinen Schild fallen, rollte über den Kiesstrand, schürfte sich dabei den Rücken auf, sprang aber sofort wieder auf die Füße, sein Schwert noch immer fest in der Hand. Das hätte Longinus sicherlich gefallen. Doch Longinus würde niemals davon erfahren. Über ihm, immer noch im Sattel, immer noch laut fluchend, aber auch immer noch aus dem Gleichgewicht gebracht, hing Marullus.
Julius Valerius Corvus, Erster Dekurio der Prima Thracum, wusste in diesem Augenblick, dass er von nun an für seinen Gott und die Legionen für alle Zeit verloren sein würde, und er hieb in das ungeschützte Gesicht jenes Mannes, der ihn gebrandmarkt hatte, der ihn die Litaneien gelehrt hatte, der ihm einen Lebenssinn geschenkt hatte, als aller Sinn verloren schien. Wilde Flüche gegen Valerius ausstoßend, starb Marullus, um sich zu den Geistern zu gesellen, die Valerius verfolgten. Sein Tod wurde von einem lateinischen Aufschrei begleitet, und die römsichen Soldaten am Rande des Schlachtfeldes ließen, als sie sahen, dass ihr Zenturio starb, schlagartig jeden Befehl außer Acht und versuchten nicht mehr länger, Freund von Feind zu unterscheiden, sondern stürzten sich nunmehr auf jeden Gallier, der sich in ihrer Reichweite befand.
»Kommt mit!«
Der Ruf erschallte auf Gallisch und wurde dann noch einmal auf Eceni wiederholt. Eine Hand zerrte an Valerius’ Schwertarm und zog ihn neben einem galoppierenden Pferd her. Dann packten ihn noch weitere Hände unter den Achseln, und schließlich wurde er hochgehoben und bäuchlings auf den Rücken eines der Pferde geworfen. Das Schlachtfeld fiel immer weiter zurück. Valerius kämpfte sich in eine sitzende Position hoch, ergriff die Zügel und entdeckte endlich auch den belgischen Jungen, den Dubornos sicher umfangen hielt. Nur
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