Das Schwert der Keltin
davonreiten.«
Endlich ergriff Caradoc auch Cygfas anderen Arm, nicht mehr mit der Kraft eines Kriegers, doch mit der ehrlichen Umarmung eines Vaters für seine Tochter. Nun brach seine sorgsam bewahrte Maske der Ruhe und Gefasstheit auseinander. Tränen rannen über seine Wangen. Er hob die Hand zu seiner Schulter und der Schlangenspeerbrosche empor, die jetzt alles war, was ihm noch von Britannien geblieben war. Caradoc hakte den Verschluss der Brosche auf und steckte sie an Cygfas Tunika. Die roten Zöpfe an der untersten Schlaufe der Brosche waren schwarz von seinem Blut. Dann küsste er Cygfa und sagte: »Ich habe kein Schwert, das ich dir geben könnte - mac Calma wird dafür sorgen, dass eines angefertigt wird, das zu dir passt. Nimm dafür aber diese Brosche, und fass dir ein Herz. Solange du lebst, werden meine Seele und die deiner Mutter durch dich weiter gegen den Feind kämpfen.«
»Vater...« Cygfa hob Caradocs Hand an ihre Wange. Durch unaufhaltsam fließende Tränen hindurch sagte sie: »Wir werden sie aus unserem Land vertreiben, allesamt. Dann kannst du wieder nach Hause kommen.«
Caradoc lächelte schwach. Als er wieder sprechen konnte, antwortete er: »Auf diese Nachricht werden wir täglich warten.«
Dann wanderte sein Blick weiter und zu jener Stelle hinüber, wo Cunomar stand und sie beobachtete, verloren, ausgeschlossen, unsagbar wütend und vor allem allein. Als ein Junge war er in den Kampf eingetreten, und als ein Junge war er wieder daraus hervorgekommen, ohne auch nur einen einzigen Gegner getötet zu haben. Bis Caradoc gesprochen hatte, war seine ganze Aufmerksamkeit noch immer auf den Kampf hinter ihnen gerichtet gewesen. Als Valerius zu Cunomar hinüberblickte, sah er, dass Dubornos das Pferd des Jungen festhielt und drei der blau befederten Gallier allein dazu abgestellt worden waren, um auf den Burschen zu achten und aufzupassen, dass er in Sicherheit blieb.
»Cunomar, du hast gut gekämpft.« Nun hatte Caradoc sich wieder besser unter Kontrolle, genügend, um eine Lüge mit zumindest einiger Glaubwürdigkeit vorzubringen. Er zog das Messer aus seinem Gürtel und reichte es mit dem Griff nach vorn Cunomar. »Ich habe kein Schwert, das ich dir geben könnte, aber nimm dieses Messer, als ob es ein Schwert wäre. Mac Calma wird dafür sorgen, dass auch du ein Schwert erhältst.« Dann hielt Caradoc inne, offensichtlich auf der Suche nach den richtigen Worten, und was er schließlich sagte, war keine vorbereitete Rede: »Deine Mutter … deine Mutter wird wissen, dass dies der richtige Weg ist. Steh ihr an meiner Statt zur Seite. Beschütze du sie an meiner Statt.«
Caradoc kannte seinen Sohn gut. Beim Anblick des Messers und dem unaufrichtigen Lobgesang auf seine Taten waren ihm die Züge entglitten. Im Namen seiner Mutter jedoch riss er sich wieder zusammen und richtete sich im Sattel auf. Dabei wandte er seine Aufmerksamkeit vollkommen von dem Kampf vor den Felsen ab. Er war auf Mona geboren worden und mit den dort herrschenden Zeremonien aufgewachsen. Jetzt also entbot er in perfekter Haltung den Gruß eines Kriegers gegenüber einem Mitglied des Ältestenrates.
»Solange ich lebe, soll ihr nichts geschehen«, sagte er. »Das schwöre ich in Brigas Namen.«
Die versammelten Erwachsenen bezeugten den Schwur mit der angemessenen Feierlichkeit.
Der nun folgende Abschied verlief sehr rasch. Die Gallier nahmen die Pferde, und die Ruderer, die zum größten Teil ebenfalls Gallier waren, halfen den Kriegern an Bord des Bootes. Philonikos beschloss, Caradoc zu begleiten, und Dubornos wünschte ihm alles Gute. Der belgische Junge wollte bei Valerius bleiben, wo immer dieser auch hinginge. Wo Valerius hingehen würde, war allerdings keinem der Anwesenden klar, am wenigsten ihm selbst.
Mac Calma fällte die Entscheidung an Valerius’ Stelle. »Wenn du bleibst, werden dich unsere Gallier töten. Sie glauben mir nicht, dass du kein Römer bist.«
»Da haben sie ja auch Recht. Ich bin genauso ein Römer wie jeder der Männer, den sie heute Nacht getötet haben.«
Der Träumer brachte immerhin noch ein schiefes Lächeln zustande. »Wenn du also sterben möchtest, kannst du ja gern hier am Strand verweilen. Solltest du aber leben wollen, solltest du zumindest mit an Bord kommen. Unsere Reise wird fünf Tage dauern, vielleicht sogar länger. Und jeden Tag kannst du mehrmals deine Entscheidung fällen oder auch wieder verwerfen, und wenn du dann immer noch sterben möchtest, wird Manannan
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