Das Schwert der Keltin
durch die feindlichen Stämme geraten sind, die seine Legion umzingeln.«
»Und diejenigen von uns, die einen höheren Rang bekleiden, können sich natürlich denken, dass wir uns - wenn der junge Mann Erfolg hat - schon sehr bald auf dem Ritt nach Westen befinden könnten, um diese Legion im Kampf zu unterstützen.«
»Würde uns das etwas ausmachen?«
»Die Gallier wären auf jeden Fall hocherfreut«, erklärte Valerius. »Sie brennen darauf, endlich in Aktion zu treten. Wie das mit den Thrakern ist, weiß ich nicht. Kannst du dein Pferd durch kniehohen Schnee reiten?«
Der Thraker blinzelte nachdenklich. Mit einem geradezu kindlichen, nur zu durchsichtigen Ernst erklärte er: »Selbstverständlich kann ich das, aber wir würden so etwas nicht tun, außer wenn wir dazu gezwungen wären. Wir Thraker haben ein sehr enges Verhältnis zu unseren Pferden. Wir betrachten unser Pferd als einen Bruder, und wir würden unseren Bruder niemals zu Schanden reiten, nur um etwas zu beweisen.«
Valerius lachte. Es war schon lange Zeit her, dass er in einem Wortgefecht geschlagen worden war, und noch länger her, dass er laut und aus vollem Herzen gelacht hatte. Und besser noch als alles andere - das Lachen fegte auch noch die letzten Überreste der nächtlichen Träume aus seinem Bewusstsein. Schließlich sagte er: »Wenn du lange genug in den Mannschaftstavernen zechst, wirst du herausfinden, dass die Männer der Quinta Gallorum vorzugsweise Stuten reiten, weil die in vollem Galopp ihr Wasser ausscheiden können, ohne ihr Tempo drosseln oder sogar stehen bleiben zu müssen, und dass ein Gallier ein noch weitaus engeres Verhältnis zu seinem Pferd hat als zu einem Bruder.«
Das Lächeln, mit dem der Thraker Valerius’ Bemerkung quittierte, war strahlend. »Aber du bist kein Gallier?«
»Das bin ich nicht, nein.«
In friedlichem Schweigen marschierten sie weiter zu der Kreuzung mit der via principalis , der Hauptstraße. Hier, wo der Wind die Flocken aufgrund der breiten Fahrbahn und des Fehlens von Baracken ungehindert hatte vorwärtstreiben können, lag der Schnee noch höher als anderswo. Hohe Schneewehen türmten sich an der Seite des am nächsten gelegenen Tribunshauses, zitrusgelb schimmernd im Licht einer noch immer brennenden Lampe. Und auch die Eiskruste auf dem Schnee war hier dicker, so dass sie fast ohne einzusinken darauf gehen konnten.
Valerius und der Thraker hatten nun keinen Grund mehr, gemeinsam weiterzugehen. »Ich werde den Technischen Offizier Bassianus ausfindig machen«, erklärte der Thraker, »und ihm sagen, dass die zu den Latrinen führenden Rohre eingefroren sind und auch ein paar von denjenigen, die das Badehaus speisen. Ich habe vorhin, bevor ich zu den Ställen gegangen bin, mal kurz ins Badehaus reingeschaut, und bei mindestens der Hälfte der Rohre funktioniert der Wasserzufluss nicht mehr so wie noch gestern Abend. Ach, und übrigens: Während ich auf der Suche nach diesem Bassianus bin, gibt es da unterwegs vielleicht irgendeinen Ort, wo ich was Ordentliches zu essen bekommen könnte?«
Er stellte seine Frage betont beiläufig, was ihn einige Anstrengung gekostet haben musste. Jede Festung hatte irgendwo inmitten ihrer Wachhäuschen eine verlässliche Quelle für anständiges, bedenkenlos genießbares warmes Essen, das man in einer kalten Nacht schnorren oder kaufen konnte. Für einen Neuankömmling, ganz gleich, ob nun einfacher Soldat oder Kavallerist, war das Wissen darum, wer dieses Essen kochte und wo, eine der vielen kleinen und dennoch bedeutsamen Tatsachen, die das ansonsten kaum erträgliche Festungsleben etwas angenehmer machten. Das Geheimnis wurde jedoch nicht immer freimütig und unentgeltlich verraten.
Zu einer anderen Zeit oder einem anderen Mann gegenüber hätte Valerius vielleicht Unwissenheit vorgetäuscht oder sich ganz einfach geweigert, auf die Frage zu antworten. Stattdessen zeigte er nach rechts und sagte: »Versuch es mal in dem Turm am Osttor. Sie halten da immer einen Grillrost in Gang, und meines Wissens nach ist es noch nie vorgekommen, dass sie kein Fleisch hatten. Schlimmstenfalls, an schlechten Tagen, ist es ungewürzt.«
Grinsend klopfte der Thraker ihm auf die Schulter. »Aber heute wird kein schlechter Tag sein. Willst du nicht mitkommen?«
Unter anderen Umständen wäre Valerius vielleicht auf den Vorschlag eingegangen, aber er hatte gesehen, wie in der Tür eines Hauses weiter unten an der Hauptstraße eine Lampe angezündet wurde, und er hatte
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