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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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bewegten sich in größeren Kreisen, um zu grasen. Eines von ihnen schreckte dabei eine Schneehäsin auf, von deren Existenz bisher weder die Männer noch die Pferde überhaupt etwas bemerkt hatten, bis sie urplötzlich aufsprang und davonflitzte, um sich in Sicherheit zu bringen - ein weißes Knäuel, von einer Windböe über eine verschneite Fläche getrieben. Am jenseitigen Ufer des Flusses pirschte sich ein Fuchsrüde an irgendein Beutetier an, das jedoch zu klein war, als dass Valerius es von seinem Platz aus hätte sehen können. Ein Bussard flog krächzend über den weiten, makellos blauen Bogen des Gottes. Ein jeder reiste auf seine eigene Art gen Westen, Richtung Mona.
    Der Fuchs stürzte sich mit einem plötzlichen Satz auf seine Beute, lautlos und tödlich. Valerius hörte das leise Quieken einer sterbenden Wühlmaus. Er legte sich in den Schnee zurück und starrte in das wolkenlose Blau hinauf, um zu beobachten, wie der Bussard auf dem Wind dahinschwebte. Wenn er das Talent dafür hätte und wenn andere Götter als Mithras es nicht verboten hätten, dann könnte er verstehen, wie es möglich wäre, seinen Körper abzustreifen und sich einem Vogel gleich in den Himmel emporzuschwingen, um ebenso schwerelos zu fliegen, wie jener Bussard dort oben flog. Er hatte seit der Brandmarkung nicht mehr daran gedacht, aber wenn er mit seinem Daumen auf die Narbe drückte und wieder den Schmerz fühlte und die Art, wie dieser ihn damals aus seinem Inneren herausgerissen und in namenlose Dunkelheit geschleudert hatte, dann war es gar nicht mal so schwer, die einzelnen Teile seiner Seele zu nehmen und einen davon herauszulassen, so als ob er an einem unsichtbaren Faden befestigt wäre, und in das sich grau färbende Blau des Himmels aufzusteigen, um die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Zu fühlen, wie der böige Wind an seinem Kopf und seinem Körper entlangstrich und seinen Flügeln Auftrieb verlieh. Und dabei auf die kleine Pferdeherde hinabzublicken, die an einem verschneiten Flussufer graste, sowie auf die beiden Männer in unmittelbarer Nähe, der eine geistesabwesend und mit leerem Blick im Schnee liegend, der andere in banger Sorge über ihn gebeugt.
    »Valerius?« Eine Hand fuchtelte vor seinen Augen herum und zerriss den Traumfaden zu schnell und zu abrupt. Longinus’ Gesicht schwebte zu dicht vor dem seinen, sein Atem noch säuerlich vom Wein der vergangenen Nacht. »Julius Valerius? Hast du mich gehört? Ich habe dich gefragt, ob ihre Träumer die Gedanken anderer Menschen belauschen können und ob sie ihrem Volk dann von dem Gehörten berichten? Werden sie die Nachricht von Scapulas Drohungen den Kriegern überbringen?«
    Die Augen des Mannes waren von zu viel Unruhe und Besorgnis erfüllt, und sie waren entschieden zu nahe. Übel gelaunt erinnerte Valerius sich daran, warum er es im Allgemeinen vorzog, die Pferde allein zu tränken. Wortlos erhob er sich vom Boden, klopfte sich den Schnee von den Beinen, entfernte sich ein Stück von dem Thraker und pfiff nach dem Schecken. Der Hengst kam auch prompt; er spürte - besser als jedes andere Lebewesen - haargenau, in welcher Gemütsverfassung Valerius gerade war, und er kannte auch haargenau jene Grenze, ab der die Gereiztheit seines Herrn einen solchen Grad erreicht hatte, dass es nicht mehr ratsam war, einen Befehl zu verweigern. Später würde das Tier sich allerdings dafür rächen, so viel stand fest.
    Während sie zurück zur Festung ritten, blieb Longinus ganz bewusst auf Abstand. Er hatte eine Antwort auf seine Frage erwartet, und als er keine bekam, hatte er aufgesessen und sein Pferd gewendet, um Valerius ohne jeden weiteren Kommentar zu folgen. Sie waren schon in Sichtweite der Festungstore, als Valerius plötzlich seinen Schecken zügelte.
    Ohne sich zu dem Thraker umzuwenden, sagte er: »Es kann gut sein, dass die Träumer zu dem fähig sind, was du vorhin gesagt hast. Ich weiß es nicht, ich habe es nie gesehen. Aber selbst wenn sie diese Fähigkeit nicht besitzen, so macht das auch keinen Unterschied mehr. Soldaten reden nun mal, und ein Soldat, der Angst hat, gibt unweigerlich die Drohungen jener Macht weiter, die er hinter sich weiß. Wenn sie sich das erste Mal Auge in Auge an einer Barrikade gegenüberstehen, wird irgendein Jüngelchen aus der Zweiten, irgendein Milchgesicht, das praktisch noch in den Windeln liegt, diese Drohungen den Kriegern entgegenschleudern, die ihm nach dem Leben trachten, und wenn auch nur einer von ihnen

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