Das Schwert der Keltin
Krieger vier mit Golddraht umwickelte Kriegerfedern im Haar trug - und somit also schon in einigen Gefechten gekämpft haben musste -, wies die Klinge selbst keinerlei Kerben auf, die erkennen ließen, dass die Waffe in einer Schlacht zum Einsatz gekommen war.
Es war Valerius, zu dem der junge Mann den Blick hob. In seinen Augen war ein Ausdruck trotziger Herausforderung zu erkennen, eine vorsichtige Frage und vielleicht, ganz in der Tiefe, eine flehentliche Bitte. Mittlerweile hatte sich unter den Trinovantern herumgesprochen, dass Valerius ihre Sprache beherrschte. Was sich jedoch nicht mit herumgesprochen hatte - weil es nicht bekannt war -, war Valerius’ abgrundtiefer Hass auf ihr Volk und die Identität des Mannes, der diesen Hass ursprünglich in ihm erzeugt hatte.
Der Augenblick der Entscheidung verlief nicht ohne inneren Aufruhr; Valerius glaubte noch immer an die Gesetze der Ehre, und er wahrte stets eine gewisse Achtung vor der persönlichen Würde. Hätte das Haar des jungen Kriegers irgendeine andere Farbe als weizenblond gehabt, wäre seine Nase weniger charakteristisch gewesen, wären seine Augen nicht ausgerechnet von jenem speziellen Eisengrau gewesen, so dass man sich unterhalb dieser Augen nur zu leicht Caradocs Lächeln vorstellen konnte und in ihren grauen Tiefen Caradocs Seele, dann wäre das Folgende möglicherweise anders abgelaufen. Tatsache war jedoch, dass der Krieger eine verhängnisvolle Ähnlichkeit mit Caradoc hatte. Das Krähen-Pferd drängte sich zwischen den Mann und die Menschenmenge.
»Halt ein!«
Gaudinius hatte sich gerade gebückt, um das Schwert vom Boden aufzuheben. Er erstarrte mitten in der Bewegung und richtete sich dann wieder auf, mit leeren Händen.
»Er hat dir eine falsche Waffe ausgeliefert«, erklärte Valerius. »Das da ist nicht das Schwert seiner Ahnen.«
Er sagte dies auf Lateinisch, so wie es die Vorschrift verlangte, und wiederholte es dann noch einmal auf Trinovantisch. Das Handgemenge war nicht unbemerkt geblieben. Schon tauchte Longinus an der Schulter des Schecken auf. Andere Männer kamen herbeigerannt, um zu helfen, und bildeten ein schützendes Knäuel um die kleine Gruppe. Valerius registrierte ihre Anwesenheit, so wie er das Eintreffen von Verstärkungstruppen in einer Schlacht registrieren würde - eher beiläufig und ohne seine Aufmerksamkeit von dem Feind abzuwenden, der darauf aus war, ihn zu töten. Sein Blick war voll und ganz mit dem des jungen, weizenblonden Kriegers verschmolzen, der gerade eben versucht hatte, das Schwert seiner Ahnen zu retten.
Der junge Mann war ein guter Schauspieler: Er konnte sein Mienenspiel kontrollieren, nicht aber den Ausdruck seiner Augen. In seinen grauen Augen malten sich zuerst Bestürzung und Erschrockenheit ab, dann Zorn, gefolgt von einer kurzen, niederschmetternden Verzweiflung. Valerius kannte dieses Gefühl nur zu genau aus eigener Erfahrung, diese Trostlosigkeit der Seele, wenn das, wovor man am meisten Angst gehabt hat, sich bewahrheitet. Und er wusste auch, wozu diese Verzweiflung führte. Er war schon lange vorher auf den Augenblick vorbereitet, als der junge Krieger Zuflucht im Kampf suchte.
Das Schwert, das flach auf dem festgetretenen Erdboden lag, war nicht dasjenige, mit dem der weizenblonde junge Mann zum Krieger herangewachsen war, nicht dasjenige, mit dem er so häufig in Schlachten getötet hatte, aber es war ein gutes Schwert, und er hatte es oft genug gebraucht, um das nötige Gespür für sein Gewicht und seine Schwungkraft zu haben. Auf jeden Fall reichte seine Geschicklichkeit im Umgang mit der Waffe voll und ganz aus, um einen jungen Offizier zu töten. Gaudinius starb auf der Stelle, während eine Fontäne von Blut aus seiner aufgeschlitzten Kehle spritzte. Ein thrakischer Soldat der Hilfstruppe wäre der Nächste gewesen, hätte Longinus sich nicht blitzschnell und mit aller Kraft gegen die Schulter des Mannes geworfen und ihn zur Seite geschleudert, so dass der Schwerthieb, der ihn hätte töten sollen, stattdessen nur in das Fleisch seines Oberarms eindrang.
Der junge Krieger der Trinovanter wich rückwärts gegen die Wand des Rundhauses zurück, und zwei andere gesellten sich zu ihm, und einer von ihnen war - genau wie es schon die ganze Zeit über abzusehen gewesen war - der rothaarige Schmied. Ja, endlich!, dachte Valerius und fühlte dabei einen Moment lang triumphierende Freude in sich aufwallen, gepaart mit einem unerwarteten Kummer darüber, dass ein Mann mit so viel
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