Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
hatten Frauen und Kinder«, sagte er schließlich wesentlich leiser und ruhiger. »Die anderen werden, wenn ihnen der Hunger in die Töpfe schaut, bald wieder ausfahren. Die Perlentaucher, die Fischer, alle. Jetzt haben sie Angst, aber Hunger besiegt die Furcht. Sie werden ausfahren. Aber werden sie zurückkommen? Was meinst du, Geralt? Fräulein Daven? Ich bin auf Eure Ballade gespannt, die davon handelt. Die Ballade vom Hexer, der tatenlos am Ufer steht und die blutbeschmierten Boote betrachtet, die weinenden Kinder.«
    Essi wurde noch bleicher, warf aber trotzig den Kopf zurück, blies gegen die Locke und schickte sich schon zu einer Antwort an, doch Geralt fasste sie rasch bei der Hand und kam mit einem Zischen ihren Worten zuvor.
    »Genug«, sagte er. »Von dieser ganzen Reihe von Wörtern hat eins wirklich Bedeutung. Du hast mich angestellt, Agloval. Ich habe den Auftrag angenommen und werde ihn ausführen, wenn er auszuführen ist.«
    »Ich zähle darauf«, sagte der Fürst kurz. »Dann auf Wiedersehen. Meine Verehrung, Fräulein Daven.«
    Essi machte keinen Knicks, sie nickte nur. Agloval zog die nassen Hosenbeine hoch und ging auf den Hafen zu, wegen des steinigen Grundes in Schlängellinie. Geralt wurde erst jetzt gewahr, dass er die Dichterin noch immer bei der Hand hielt und sie durchaus nicht versuchte, sich zu befreien. Er ließ los. Essi, die langsam ihre normale Farbe wiedergewann, wandte ihm das Gesicht zu.
    »Du bist leicht zu bewegen, ein Risiko einzugehen«, sagte sie. »Es genügen ein paar Worte von Frauen und Kindern. Und da heißt es immer, wie fühllos ihr angeblich wärt, ihr Hexer. Geralt, Agloval pfeift auf Frauen, Kinder und Alte. Er will, dass die Perlenfischerei wieder aufgenommen wird, denn er büßt mit jedem Tag ein, an dem sie ihm keine heraufholen. Er ködert dich mit hungrigen Kindern, und gleich bist du bereit, dein Leben zu wagen ...«
    »Essi«, unterbrach er sie. »Ich bin Hexer. Es ist mein Beruf, das Leben zu wagen. Die Kinder haben damit nichts zu tun.«
    »Du kannst mich nicht täuschen.«
    »Warum unterstellst du, dass ich es vorhabe?«
    »Weil du, wenn du so ein kalter Profi wärst, als der du gern erscheinen möchtest, versucht hättest, den Preis in die Höhe zu treiben. Aber du hast die Bezahlung mit keinem Wort erwähnt. Ach, gut, genug davon. Kehren wir um?«
    »Lass uns noch weitergehen.«
    »Gern. Geralt?«
    »Ich höre.«
    »Wie gesagt, ich bin am Meer aufgewachsen. Ich kann ein Boot steuern und ...«
    »Schlag dir das aus dem Kopf.«
    »Warum?«
    »Schlag dir das aus dem Kopf«, wiederholte er.
    »Du könntest«, sagte sie, »das netter formulieren.«
    »Könnte ich. Aber das würdest du für ... weiß der Teufel wofür halten. Und ich bin ein fühlloser Hexer und ein kalter Profi. Ich riskiere mein eigenes Leben. Kein fremdes.«
    Essi schwieg. Er sah, wie sie die Lippen zusammenpresste, wie sie den Kopf herumwarf. Ein Windstoß zerzauste ihr wieder das Haar, verdeckte für einen Augenblick das Gesicht mit einem Gewirr goldener Strähnen.
    »Ich wollte dir nur helfen«, sagte sie.
    »Ich weiß. Danke.«
    »Geralt?«
    »Ich höre.«
    »Und wenn an den Gerüchten, von denen Agloval gesprochen hat, etwas Wahres ist? Du weißt doch, Sirenen sind nicht immer und überall freundlich. Es gab Fälle ...«
    »Ich glaub’s nicht.«
    »Meerfrauen«, fuhr Äuglein nachdenklich fort. »Nereiden, Tritonen, Meernymphen. Wer weiß, wozu sie imstande sind. Und Sh’eenaz ... Sie hatte einen Grund ...«
    »Ich glaub’s nicht«, fiel er ihr ins Wort.
    »Glaubst du es nicht oder willst du’s nicht glauben?«
    Er antwortete nicht.
    »Und du willst den kalten Profi spielen?«, fragte sie mit seltsamem Lächeln. »Einen, der mit der Schwertschneide denkt? Wenn du willst, sag ich dir, wie du wirklich bist.«
    »Ich weiß, wie ich wirklich bin.«
    »Du bist empfindsam«, sagte sie leise. »Im Grunde deiner Seele, die voller Unruhe ist. Dein steinernes Gesicht und die kalte Stimme können mich nicht täuschen. Du bist empfindsam, gerade deine Empfindsamkeit lässt dich jetzt fürchten, dass das, dem du mit dem Schwert in der Hand gegenübertreten sollst, seine berechtigten Gründe haben kann, dass es dir vielleicht moralisch überlegen ist ...«
    »Nein, Essi«, sagte er langsam. »Such in mir kein Thema für eine rührende Ballade, die Ballade vom innerlich zerrissenen Hexer. Ich wünschte vielleicht, dass es so wäre, doch es ist nicht so. Meine moralischen Probleme lösen für

Weitere Kostenlose Bücher