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Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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freigelegt worden waren. Noch immer toste und schäumte in ihnen das Wasser, doch es schien, als würden sie drüberkommen.
    »Also, dann ans Werk«, sagte er, stand auf, rückte das Schwert auf dem Rücken zurecht. »Länger können wir nicht warten, sonst schaffen wir es nicht bis zur Flut. Bestehst du noch immer darauf, mitzukommen?«
    »Ja. Stoffe für Balladen sind keine Kienäppel, man findet sie nicht unterm Baum. Außerdem hat Püppchen morgen Geburtstag.«
    »Ich sehe keinen Zusammenhang.«
    »Schade. Unter uns normalen Menschen ist es Brauch, einander zum Geburtstag etwas zu schenken. Um ihr etwas zu kaufen, reicht mein Geld nicht. Ich werde was für sie auf dem Meeresboden finden.«
    »Einen Hering? Einen Tintenfisch?«
    »Du bist dumm. Ich finde einen Bernstein, vielleicht ein Seepferdchen, vielleicht eine hübsche Muschel. Es geht um ein Symbol, um den Beweis, dass ich an sie gedacht und sie gern habe. Ich mag Äuglein, will ihr eine Freude machen. Du verstehst nicht? Das dachte ich mir. Los dann. Du voran, denn da kann irgendwo ein Ungeheuer sitzen.«
    »Gut.« Der Hexer stieg vom Uferbruch auf die schlüpfrigen, algenbedeckten Steine. »Ich geh voran, um dich im Fall des Falles zu decken. Zum Beweis, dass ich an dich denke und dich gern habe. Aber denk dran, wenn ich schreie, dann nimm die Beine in die Hand und wusel mir nicht vor dem Schwert herum. Wir gehen da nicht hin, um Seepferdchen zu sammeln. Wir gehen hin, um mit einem Ungeheuer abzurechnen, das Menschen ermordet.«
    Sie gingen hinab ins Labyrinth des freiliegenden Bodens, wobei sie stellenweise im Wasser wateten, das noch immer in den Felskaminen brodelte. Sie stapften durch Mulden, die mit Sand und Tang gefüllt waren. Zu allem Unglück begann es zu regnen, also waren sie bald von oben bis unter nass. Rittersporn blieb alle naselang stehen, stocherte mit dem Absatz im Kies und in den Klumpen von Wasserpflanzen.
    »Oh, sieh nur, Geralt, ein Fischchen. Ganz schwarz, hol mich der Teufel. Und da, oh, ein kleiner Aal. Und da? Was ist das? Sieht aus wie eine großer, durchsichtiger Floh. Und da ... O Himmel! Geraaalt!«
    Der Hexer drehte sich abrupt um, die Hand am Schwert.
    Es war ein Totenschädel, weiß, über die Steine geglitten, in eine Felsspalte voll Sand gerutscht. Und nicht nur das. Rittersporn, der einen sich in der Augenhöhle windenden Vielborster sah, schüttelte sich und stieß einen unangenehmen Laut aus. Der Hexer zuckte mit den Schultern, wandte sich der von den Wellen verdeckten Steinebene zu, den beiden gezackten Klippen, die Drachenhauer genannt wurden und jetzt wie Berge aussahen. Er ging vorsichtig. Der Boden war von Seegurken bedeckt, von Muscheln, Haufen von Tang. In Pfützen und Mulden waberten große Quallen und ringelten sich Schlangensterne. Kleine Krabben, bunt wie Kolibris, flohen vor ihnen, liefen seitwärts und fuchtelten mit den Scheren.
    Geralt bemerkte schon von weitem den Leichnam, der zwischen Steinen eingesunken war. Der Ertrunkene bewegte den unter Wasserpflanzen sichtbaren Brustkorb, obwohl er eigentlich nichts mehr zu bewegen hatte. Er wimmelte von Krebsen, innen und außen. Er konnte nicht länger als einen Tag im Wasser liegen, aber die Krebse hatten ihn so zugerichtet, dass eine genauere Betrachtung keinen Sinn mehr hatte. Der Hexer änderte ohne ein Wort die Marschrichtung, machte einen Bogen um die Leiche. Rittersporn bemerkte nichts.
    »Hier stinkt es vielleicht nach Fäulnis«, schimpfte er, während er zu Geralt aufschloss. Er spuckte aus, schüttelte das Wasser vom Käppchen. »Und es regnet, und kalt ist es. Ich werd mich erkälten, die Stimme verlieren, verdammt ...«
    »Hör auf zu nörgeln. Wenn du umkehren willst, du kennst den Weg.«
    Gleich hinter den Drachenhauern erstreckte sich eine flache Felsplatte, dann kam schon das tiefe, ruhig wogende Meer. Die Grenze des Niedrigwassers.
    »Ha, Geralt!« Rittersporn schaute sich um. »Dein Ungeheuer hatte anscheinend genug Verstand, sich zusammen mit dem abströmenden Wasser vollends ins Meer zurückzuziehen. Und du hast sicherlich gedacht, es würde hier irgendwo herumliegen, den Bauch emporgereckt, und warten, bis du es umbringst?«
    »Sei still.«
    Der Hexer näherte sich dem Ende der Platte, hockte sich hin, stützte die Hände vorsichtig auf die scharfen Muscheln, mit denen der Felsen besetzt war. Er sah nichts, dasWasser war dunkel und die Oberfläche von Nieselregen gekräuselt, getrübt.
    Rittersporn streifte am Fuß der Klippen herum,

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