Das Schwert der Wahrheit 9: Die Magie der Erinnerung (German Edition)
hatten, einer Hure, die in irgendwelche politischen Intrigen verwickelt gewesen war, was sie am Ende das Leben gekostet hatte. Und ein ganz spezieller Zug dieser Frau war – zumindest teilweise – auch in der Sliph noch zu erkennen. Niemals, unter keinen Umständen, würde sie die Identität eines »Kunden« preisgeben.
»Wir sollten jetzt besser wieder nach oben gehen und Zedd wissen lassen, dass wir wohlauf sind.« Richard richtete seine Gedanken wieder auf unmittelbarere Probleme. »Cara dürfte mittlerweile so außer sich sein, dass sie nur noch mit Fesseln zu bändigen ist.«
»Richard?« Niccis sanfte Stimme hielt ihn zurück, als er sich gerade anschicken wollte zu gehen.
Er wandte sich herum und bemerkte, dass sie ihn eigentümlich ansah. »Ja?«
»Was gedenkst du, in Bezug auf Ann und Nathan zu unternehmen?«
Er zuckte mit den Achseln. »Gar nichts. Wieso, was meint Ihr?«
»Ich meine, wie willst du auf die Forderungen reagieren, die sie dir gestellt haben? Wie willst du dich hinsichtlich des Krieges verhalten? Der Zeitpunkt ist gekommen, sich zu entscheiden, und ich denke, dessen bist du dir bewusst. Du kannst nicht immer weiter deiner Wahnvorstellung hinterherjagen, während alle anderen im Begriff sind, alles zu verlieren, was ihnen lieb und teuer ist – und sie vor dem Ende aller Träume und Hoffnungen stehen.«
Einen Moment lang starrte er sie durchdringend an, doch sie hielt seinem Blick stand.
»Ihr habt es selbst gesagt, der Leichnam dort unten beweist gar nichts.«
»Nein, das tut er nicht, nur eins, das aber ganz sicher: Du hast dich in dem, was wir dort finden würden, getäuscht. Das Öffnen des Grabes hat, um es vorsichtig auszudrücken, nicht den erhofften Beweis erbracht. Womit sich die Frage nach dem Warum stellt. Warum war die Situation dort anders, als du es angekündigt hattest? Wenn ich darüber nachdenke, fällt mir darauf nur eine einzige denkbare Antwort ein: Jemand hat den Leichnam dort hineingelegt, damit du ihn findest. Nur, warum sollte jemand so etwas tun? Die Nacht dort unten am Grab liegt schon eine ganze Weile zurück, und doch bist du seitdem keinen Schritt weitergekommen. Vielleicht wird es ja langsam Zeit, dass du dir die größeren Zusammenhänge klar machst. Ich bin mir darüber im Klaren, wie sehr man sich an den Gedanken klammert, dass eine geliebte Person noch lebt – sofern sie denn tatsächlich existiert -, aber findest du nicht auch, dass man dieses eine Menschenleben gewissermaßen gegen das aller anderen abwägen muss?«
Nachdenklich entfernte sich Richard ein paar Schritte und ließ die Finger über die Mauerkrone des Brunnens der Sliph gleiten. Bei seiner letzten Reise in der Sliph hatte er Kahlan zu den Schlammmenschen mitgenommen, damit sie dort getraut werden konnten.
»Ich muss sie wieder finden, unbedingt.« Abrupt wandte er sich wieder herum zu Nicci. »Und überhaupt, ich bin nicht das Werkzeug der Prophezeiungen.«
»Aber wo willst du anfangen? Was könntest du als Nächstes tun? Du warst bereits bei Shota, anschließend bist du hierher gekommen, zu Zedd. Niemand weiß etwas, weder über diese Kahlan noch über diese ominöse ›Feuerkette‹ oder all die anderen Dinge. Du hast alle deine Möglichkeiten ausgeschöpft. Wann, wenn nicht jetzt, wäre der geeignete Zeitpunkt, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen?«
Im Raum war es totenstill. Sein Schuldgefühl drohte ihn schier zu erdrücken, weil er dem Ruf nicht gefolgt war, das d’Haranische Volk in den Kampf gegen die fürchterliche Bedrohung seiner Freiheit zu führen. Wie oft dachte er an die zahllosen anständigen Menschen, die er nicht einmal kannte, deren Angehörige und Freunde ebenfalls der tödlichen Bedrohung des unmittelbar bevorstehenden Ansturms der Imperialen Ordnung ausgesetzt waren. Durfte er all diese Menschen im Stich lassen, nur um auf der Suche nach Kahlan für alle Zeiten durch das Land zu irren?
Nicci kam näher.
»Richard.« Ihre sanfte, seidenweiche Stimme war erfüllt von Mitgefühl. »Ich weiß, wie schwer das Eingeständnis fällt, dass es vorbei ist … es offen auszusprechen und einzusehen, dass es weitergehen muss.«
Es war Richard, der den Blickkontakt als Erster brach. »Ich kann es nicht, Nicci. Ich bin mir darüber im Klaren, dass meine Erklärungen niemanden mehr zufrieden stellen, aber ich bin dazu einfach nicht fähig. Ich meine, wenn sie krank geworden und gestorben wäre, wäre ich am Boden zerstört, mit der Zeit jedoch hätte sich das Bewusstsein
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