Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
Monat.»
Die Mutter, eine hübsche Frau mit langem schwarzem Haar, war gerade dabei, ein paar Fladenbrote in ein Tuch zu wickeln und in einem Rucksack zu verstauen. Sie schien unglaublich nervös zu sein.
«Yasin, wärst du so gut und füllst das abgekochte Wasser in die Schläuche?», sagte sie rasch und deutete auf den Topf mit dampfendem Wasser, der über der Kochkerze hing.
«Wozu?», fragte Yasin verwundert und schob sich mit einer leichten Kopfbewegung das Haar aus dem Gesicht.
Die Mutter wandte sich ihren beiden Söhnen zu und sah sie ernst an. «Ihr müsst weg von hier», sagte sie ohne Umschweife. «Bevor sie kommen und euch holen.»
«Bevor wer uns holt?», fragte Alberto verunsichert und setzte sich an den Tisch.
«Die Sicherheitsgarde», sagte die Mutter, drehte sich um und verschwand im Zimmer der Jungen. «Sie sind dabei, alle Wohnblöcke zu durchkämmen», berichtete sie aufgeregt. «Eine halbe Stunde, höchstens noch eine Stunde, und sie werden auch unseren erreicht haben. Sie sind schon bei Block sieben. Betty ist vorbeigekommen und hat mich gewarnt. Sie haben ihren Frederic mitgenommen.»
«Frederic?!», rief der Zwölfjährige entsetzt. Frederic war ein Nachbarsjunge, mit dem er sich häufig nach der Schule traf und im Viertel herumstreunte. «Frederic tut keiner Fliege was zuleide. Warum haben sie ihn mitgenommen?»
«Für Drakars Heer, Blödmann», klärte ihn sein großer Bruder auf, während er den Topf von der Kochkerze hob. «Glaubst du, die haben unsere Schulen nur so zum Spaß in Kasernen umfunktioniert?»
«Aber», meinte der Zwölfjährige verwirrt, «Papa schrieb, sie hätten schon genug Soldaten.»
«Er schrieb auch, sie würden ihn garantiert für kriegsuntauglich erklären und wieder nach Hause schicken», ergänzte Yasin. «Und? Ist er wieder nach Hause gekommen? Nein, ist er nicht.»
«Vielleicht kommt er ja heute zurück», entgegnete Alberto hoffnungsvoll und begann seine heiße Grütze zu schlürfen. Yasin leerte das abgekochte Wasser in einen Krug und füllte es mit einem Trichter in die bereitliegenden Schläuche.
«Vergiss es, Alberto. Denen ist es egal, ob jemand sein Leben lang am Fließband in einer Veolichtfabrik gearbeitet hat wie Papa. Für die ist jeder tauglich, der ein Schwert in der Hand halten kann. Du hast doch gelesen, was auf dem Zettel stand, den Papa seinem Arbeitskollegen mitgab. Er schrieb, sie hätten mehr als die Hälfte der Fabrikarbeiter für Drakars Armee eingezogen. Andere Fabriken hätten sie ganz geschlossen.» Er füllte den zweiten Schlauch mit Wasser. «Die Lage ist ernst, Alberto. Drakar braucht jeden Mann, den er kriegen kann. Sogar jemanden wie Papa, der Panik schiebt, wenn er nur schon eine Kakerlake erschlagen muss.»
Die Mutter kam mit ein paar ordentlich gefalteten Hosen und Hemden aus dem Zimmer der Knaben und legte die Kleider in den Rucksack. «Yasin», sagte sie dann, ohne den Jungen dabei anzusehen, und ihre Stimme klang angespannt und hektisch, «ich will, dass du deinen Bruder zu Großmutter bringst.»
Der Teenager hörte mit Wasserschütten auf. «Aber Mama, Großmutter wohnt fünfzig Meilen von uns entfernt!»
«Ich weiß, wo Großmutter wohnt», antwortete die Mutter, «abgelegen genug, dass die Sicherheitsgarde euch nicht finden wird.»
Sie schnitt ein großes Stück Schinken ab und verstaute es ebenfalls im Rucksack.
«Mama, das können wir nicht tun!», entgegnete Yasin aufgebracht und stellte den halbleeren Krug auf den Tisch. «Es wurde ausdrücklich befohlen, sich zur Verfügung zu halten! Drakar erwartet, dass jeden Moment Krieg ausbricht!»
«Und genau deshalb will ich, dass ihr so schnell wie möglich von hier weggeht, Yasin», sagte die Mutter, schritt zum Küchenregal und durchwühlte es nach weiteren Lebensmitteln, die sie ihren Söhnen auf die weite Reise mitgeben konnte. «Es genügt, dass sie euren Vater geholt haben, ohne dass er sich von uns verabschieden konnte. Aber euch beide geb ich nicht her! Ihr seid noch Kinder!»
«Ich bin kein Kind mehr!», widersprach der Fünfzehnjährige energisch. «Und ich hab keine Angst, in den Krieg zu ziehen.»
«Du weißt nicht, wovon du sprichst, Yasin.»
Sie fand ein paar Kandiszuckerklumpen und legte sie auf den Tisch. Alberto lief das Wasser im Mund zusammen, als er die Bonbons sah. Normalerweise war Mutter sehr geizig, was Süßigkeiten anbelangte. Sie hatten nicht viel zum Leben, und Schleckereien wie Kandiszuckerklumpen oder gar Schokolade erhielten
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