Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
endete. Ihr gesamtes Gewicht hing einzig und allein an Joash, der sich mit der rechten Hand verzweifelt an seinem Eispickel festklammerte. Für einen Moment herrschte Stille.
«Alle noch am Leben?», fragte Joash.
«Ja», erklang es aus der Tiefe unter ihm. «Was ist mit dir?»
«Hab so ein Ziehen im rechten Arm», spielte Joash die Schmerzen herunter. Lange würde er sich jedenfalls nicht mehr an dem Pickel festhalten können. Und das merkwürdige Knacksen im Eis war auch nicht gerade ermutigend.
«Pishda!», rief Katara entsetzt. «So tu doch was! Vervielfältige dich und zieh uns hoch!»
«Geht nicht», flüsterte Pishda, und sein braunes Gesicht war auf einmal ganz fahl.
«Warum nicht?»
«Höhenangst», quiekte Pishda.
«Na toll», knurrte Katara und wandte sich an Joash. «Kannst wenigstens du uns hochziehen?»
«Vielleicht. Aber ich brauche einen zweiten Eispickel!»
«Hier», sagte Pishda leise, «nimm meinen.»
Er reichte Joash das Werkzeug, und dieser schlug es auf derselben Höhe wie den ersten Eispickel mit Wucht in die Wand hinein. Jetzt war ihr Gewicht wenigstens auf zwei Eispickel verteilt, aber Joash hing noch immer mit gestreckten Armen hilflos da und hatte das Gefühl, seine Hände würden gleich von den Eispickeln abrutschen. Er versuchte sich so weit hochzuziehen, dass er einen der beiden Eispickel wenigstens eine Handbreit höher wieder in die Eiswand hätte rammen können, aber mit dem Gewicht von sieben Menschen an seiner Hüfte schien dies ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Und zu allem Übel knackte es wieder in dem Eis, und um die beiden Pickel herum bildeten sich kleine Risse.
«Zieh uns hoch, verflucht noch mal!», rief Pishda mit weit aufgerissenen Augen. «Worauf wartest du noch? Ich dachte, du bist stark!»
«So einfach ist das nicht, ey, wenn man an zwei Eispickeln frei in der Luft hängt!», knirschte Joash mit schmerzverzogenem Gesicht. Es knackte wieder. Die Risse in der Wand wurden größer.
«So tu doch etwas!», rief Pishda. «Hörst du nicht? Das Eis bricht!»
«Wir sind zu schwer!», schrie Joash zurück. «Ich kann nichts machen, Mann! Wenn ich mich bewege, werden die Risse nur noch größer! Die Wand hält uns nicht!»
«Bei Shaíria, dann stürzen wir alle ab!», kreischte Pishda. Das Eis knackste und stöhnte. Die Jugendlichen waren kreideweiß im Gesicht. Sie wagten kaum mehr zu atmen.
«Was machen wir denn jetzt?», fragte Aliyah mit bibbernder Stimme.
Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis die Wand reißen würde. Miro überlegte sich, ob es irgendetwas gab, das er mit der Kraft seiner Gedanken hätte bewegen können, um sie zu retten. Doch um sie herum war nichts als halb durchsichtiges hellblaues Eis, das sich in einem furchterregenden Schwarz in der Tiefe verlor. Es gab nichts, das man hätte tun können, weder er noch sonst irgendjemand.
Joash konnte sich kaum noch halten. Er spürte, wie die Pickel nachgaben.
Plötzlich rief Pishda mit panikerfülltem Blick nach unten:
«Keiko, du musst das Seil durchschneiden!»
Keiko starrte entgeistert zu dem halbnackten Jungen hoch und dann hinunter zu Xylon, der eine Armspanne unter ihr hing und bei dieser Anweisung leichenblass wurde. Er war der Letzte in der Seilschaft und wusste sehr wohl, was es bedeutete, wenn Keiko das Seil durchschnitt: Er würde in den Tod stürzen. Nackte Angst spiegelte sich in seinen bisher finsteren Augen.
«Nein, nein, NEIN!», rief er entsetzt. «Tu’s nicht, Keiko! Ich … ich bin eh viel zu leicht! Es wird nichts bringen! Überleg doch mal! Bitte tu es nicht! BITTE!»
«Du musst es tun!», schrie Pishda von oben. «Wir haben keine Zeit mehr! Trenn das Seil durch! TU ES!»
Das Eis knarrte und ächzte. Die Risse wurden immer länger. Sie hatten tatsächlich keine Zeit mehr. Alle wussten es. Auch Xylon.
«BEI SHAÍRIA! TRENN DAS SEIL DURCH!», brüllte Pishda.
Keiko schluckte. Sie griff nach dem Messer an ihrem Gürtel und legte die Klinge auf das straffe Seil unterhalb ihrer Hüfte. Xylon schrie und spuckte. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er sah es in ihren Augen: Sie würde es tun. Sie würde es tatsächlich tun! Sie hatte keine andere Wahl, wenn sie sich und die anderen retten wollte. Sie waren zu schwer. Einer musste geopfert werden, oder sie würden alle draufgehen.
«Keiko, bitte!», flehte der Junge ein letztes Mal.
«Es tut mir leid, Xylon. Diese fünf haben mein Leben verschont. Jetzt soll es für etwas gut sein …», flüsterte sie. Dann
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