Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
waren seine Gesichtszüge finster und verschlossen, und seine einzige Beschäftigung bestand darin, die Gefangenen zu bewachen.
«Ey, du kleinwüchsiger Höhlenmensch, wenn wir schon deine Gefangenen sind, warum fesselst du uns dann nicht?», fragte ihn Joash provozierend. «Ich verkauf dir ein paar meiner Filzlocken als Stricke. Sind frisch gewachsen, ey. Mit denen könntest du ein Schiff vertäuen.» Wie zum Beweis nahm er eine seiner Filzlocken und demonstrierte ihre Stabilität, indem er sie mit beiden Händen auseinanderzerrte.
Der Pishda, der ihm am nächsten war, verschränkte die Arme und grinste abfällig. «Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Meinst du, ich wüsste nicht, dass du und Miro euch im Handumdrehen von ein paar lächerlichen Stricken befreien könntet? Nein, ich werde euch nicht fesseln. Reine Zeitverschwendung. Ihr wagt so oder so keinen Fluchtversuch. Erstens wäre das bei dem Schneesturm purer Selbstmord. Zweitens braucht ihr mich, weil ich der Einzige bin, der weiß, wo Arlo sich versteckt hält, drittens – aber das wisst ihr ja bereits – kommt ihr nicht an mir und meinen zweihundertfünfzehn Zwillingsbrüdern vorbei. Und viertens …», er hob eine von Joashs Filzlocken vom Boden auf und durchtrennte sie genüsslich mit einem Messer, «geschehen Unfälle schneller, als man denkt.»
Die Freunde sahen ihn entsetzt an.
Joash ballte die Fäuste und warf Pishda einen wütenden Blick zu. «Wenn du es wagst, meine Freunde auch nur anzutasten», schnaubte er, «dann …»
«Dann was?», fragte Pishda, stand plötzlich mit einer Kopie hinter Aliyah und drückte ihr die Spitze seines Eispickels in die Kehle. «Du weißt, ich kann jederzeit und überall gleichzeitig auftauchen.» Er bloppte den Jungen mit dem Eispickel wieder weg und tauchte zu zweit neben Katara auf, diesmal mit brennenden Holzscheiten bewaffnet. «Fordere mich nicht heraus. Du weißt nicht, wozu ich fähig bin», schnarrte er und ließ die beiden Pishdas wieder verschwinden. «Ach, und bevor ich’s vergesse: Wenn jemand von euch glaubt, ihr könntet mich im Schlaf überwältigen, muss ich euch leider enttäuschen, meine Freunde. Ich habe zweihundert Brüder, die mich beim Wachdienst ablösen. Wir werden nicht schlafen.»
Miro durchdachte das kurz und kam zum Schluss: «Aber musst du nicht wach bleiben, um deine Doppelgänger aufrechtzuerhalten? Ohne deine Energie-Abgabe geht das doch gar nicht, oder?»
Pishda grinste nur und entgegnete: «Wollt ihr das Risiko eingehen? Wer weiß, was für Strafmaßnahmen ich dann noch erfinde …»
Joash knirschte dumpf vor sich hin. Irgendwann krieg ich dich , dachte er. Mir wird schon was einfallen. Und dann zerquetsche ich dich an der Wand, du blauäugige Wanze.
Langsam wurde es dunkel. Schweigend aßen sie die Suppe. Dann legten sie neues Holz aufs Feuer und rollten sich in ihre Mäntel. Sihana und Aliyah teilten sich einen Umhang, weil Pishda den Spinnenmantel beschlagnahmt hatte. Erschöpft schliefen die Gefährten schließlich ein.
41
Auf einem Schulgelände in Dark City …
Es war ein kalter grauer Morgen, und es regnete in Strömen. Dreißig Pfeile surrten gleichzeitig durch die Luft und blieben in den Zielscheiben aus Schaumstoff stecken. Schwerter krachten aufeinander, Schlamm spritzte, Soldaten brüllten Anweisungen. Der Schulhof hatte sich in ein einziges matschiges Trainingsfeld verwandelt. Seit drei Tagen war sämtlicher Schulunterricht in der Stadt Dark City eingestellt worden. Jede Schule hatte man in eine Kaserne umfunktioniert. Waffen wurden geschmiedet, Pfeilspitzen gegossen, Bögen geschnitzt, Beinschienen, Kettenhemden, Brustschilde und Helme angefertigt. Die Frauen und Mädchen waren damit beschäftigt, Brot zu backen, Suppe und Tee zu kochen, während die Männer und Knaben in den Schulhöfen den Umgang mit Waffen erlernten.
Mädchen standen mit klammen Fingern hinter Tischen und verteilten Brot und heißen Tee an diejenigen, denen es gestattet wurde, sich für ein paar Minuten auszuruhen. Mindestens achthundert Männer jeden Alters, sogar junge Knaben, kaum älter als zwölf, dreizehn Jahre, waren über den ganzen Hof verteilt und übten in der Kälte und im strömenden Regen den Umgang mit Pfeil und Bogen, Lanzen und Schwertern. Ihr Atem wurde zu feinem weißem Nebel, so kalt war es. Ihre Finger konnten sie vor Kälte kaum mehr bewegen.
«Aufstellung! … Linker Schlag! … Rechter Schlag! … Parieren! …», tönte es aus einer Ecke, in der sich
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