Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
Luft, surrte direkt auf den verängstigten Jungen zu, und im letzten Moment, gerade noch rechtzeitig, bevor der Pfeil Albertos Brust getroffen hätte, warf sich Yasin dazwischen, und der Pfeil durchbohrte seinen linken Arm.
Alberto schrie auf. Yasin hielt sich seinen Arm und presste die Zähne aufeinander. Der Vater ließ den Bogen fallen und stürmte durch den Matsch auf seine beiden Jungen zu.
«Yasin!», rief er entsetzt. «Bei Shaíria! Es tut mir leid! Es tut mir so schrecklich leid, mein Junge!»
«Ist ja nicht Eure Schuld, Vater», sagte Yasin. «Bogenschießen will geübt sein.»
«Ich bring dich in die Krankenstation.»
«Danke, Vater, ich schaff das schon alleine. Ihr habt mir ja nicht ins Bein geschossen.» Er stand auf und ging – den Pfeil noch immer in seinem Arm steckend – an den Soldaten und den Schaulustigen vorbei Richtung Schulhaus. Der Vater wandte sich Alberto zu, der zitternd im Schlamm kniete und mehr unter Schock stand als sein Bruder.
«Alles in Ordnung, Alberto?», fragte ihn der Vater leise.
Anstatt zu antworten, warf sich ihm der Zwölfjährige an die Brust und begann bitterlich zu weinen. Auch dem Vater rollten Tränen übers Gesicht.
Die Zuschauermenge löste sich langsam wieder auf. Mangol saß noch immer auf seiner braunen Stute und hatte die Szene beobachtet, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken. Er sah den Kommandanten herausfordernd an.
«Euer Auftrag lautet, sie auf den Krieg vorzubereiten», knirschte er. «Ich schlage vor, Ihr fangt damit an!»
Er gab seinem Gefolge ein Zeichen mit der Hand, riss die Zügel seines Pferdes herum und trabte durch den aufgeweichten Boden erhobenen Hauptes zum Schultor hinaus.
42
Es war Morgen. Der Schneesturm war vorbei. Vor der Felsnische türmte sich der Neuschnee. Trotz der schwarzen Wolkendecke hoch über den Bergspitzen des Ysah-Gebirges erhellte der viele Schnee die Umgebung und machte sie irgendwie freundlicher. Die Sicht war klar, und unten im Tal war sogar die Blockhütte zu erkennen, in der die Jugendlichen übernachtet hatten.
Sihana war als Erste wach – jedenfalls von den fünf Gefährten.
«Guten Morgen», hörte sie Pishdas Stimme hinter sich.
«Morgen», brummte Sihana.
Sie hatte schlecht geschlafen und fühlte sich überhaupt nicht ausgeruht. Sie setzte sich auf und warf einen Blick in ihren Spiegel, doch eigentlich war es ihr egal, wie zerknittert sie aussah. Sie hatte auch keine Lust, sich zu schminken oder die Fingernägel neu zu lackieren, obwohl die Farbe an einigen Nägeln am Abblättern war. Stattdessen schob sie ihr Oberteil etwas zur Seite und betrachtete im Spiegel das Symbol der Propheten auf ihrer Schulter. Sie fuhr mit den Fingern darüber und seufzte traurig. Sie waren so weit gekommen. Sie waren ihrem Ziel so nahe. Und dann musste dieser blondgelockte Knabe auftauchen und alles zerstören.
Wenn ich doch bloß an meinen Spinnenmantel herankäme, dachte Sihana. Dann könnte ich uns alle von hier wegteleportieren.
Aber sie wusste selbst, dass ihr das nicht gelingen würde. Der Mantel war in Pishdas Rucksack, und Pishda bewachte ihn mit derselben Hingabe wie seine Gefangenen. Er hatte wirklich an alles gedacht und überließ nichts dem Zufall.
«Wie weit ist es eigentlich noch bis zu Arlo?», fragte Sihana, kämmte sich mit den Händen ihr Haar und packte den Spiegel in ihre Tasche.
«Das hängt davon ab, wie schnell wir vorankommen», sagte Pishda unbestimmt. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt, stand am Eingang der Felsennische und genoss die Aussicht. «Vielleicht eine Woche. Vielleicht auch zwei. Aber zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Püppchen. Ihr werdet euren König früh genug zu Gesicht bekommen.»
«Und dann? Was wird mit uns geschehen?»
Pishda zuckte die Achseln. «Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.»
«Du wirst uns töten, nicht wahr?», stellte Sihana fest. «Das ist doch dein Plan, hab ich Recht?»
Der Junge mit dem Lendenschurz nahm etwas Schnee in die Hand, formte ihn zu einer Kugel und warf sie den Berg hinunter. Dann drehte er sich um und grinste Sihana an.
«Ich hatte nie vor, dich zu töten, Sihana. Warum sollte ich? Du gehörst ja nicht wirklich dazu.»
Sihana stutzte. «Was willst du damit sagen?»
«Ach, komm schon, du weißt, wovon ich rede», sagte Pishda und setzte sich im Schneidersitz vor das Mädchen hin. «Miro, Joash, Aliyah, Katara und Ephrion wurden seit tausend und abertausend Jahren für diese Mission auserwählt. Du nicht.
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