Das Schwert des Königs - Dark City ; 3
ich meinen Bruder zu gut. Er hegt keine düsteren Absichten. Das Problem ist, dass er felsenfest davon überzeugt ist, das Richtige zu tun. Er glaubt tatsächlich, dass es zu unserem Besten ist, hier hinter dieser Mauer zu bleiben. Das Buch der Prophetie hat ihm den Verstand geraubt. Er wird den Schlüssel zum Tor niemals herausgeben, es sei denn, wir zwingen ihn dazu.»
«Was schlagt Ihr vor?»
Der Prinz schob sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Seine Backenknochen strafften sich, als er entschlossen von einem zum andern blickte.
«Ich hätte nie gedacht, dass es je dazu kommen würde. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg.» Er machte eine Pause, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. «Wir brauchen einen neuen König.»
Die Herren an dem Tisch schwiegen einen Moment. Insgeheim hatte der eine oder andere wohl schon heimlich dasselbe gedacht. Aber es tatsächlich auszusprechen, hätte niemand gewagt. Eine merkwürdige Schwere legte sich über den Raum.
«Ich frage euch: Wer von euch wäre bereit, mich als neuen König anzuerkennen?»
Es war eine schwerwiegende Entscheidung, und selbst wenn ihr Gewissen sie warnte, eine solch drastische Maßnahme auch nur in Erwägung zu ziehen, war das Verlangen nach einer Veränderung doch stärker. Die erste Hand ging selbstbewusst in die Höhe. Sie gehörte einem kräftigen Mann mit kleinen, tiefsitzenden schwarzen Augen und einem Stoppelbart. Eine zweite Hand wurde erhoben, wenn auch etwas zögerlicher. Nach und nach schlossen sich alle andern an, vom Jüngsten bis zum Ältesten. Drakar reckte erfreut sein Kinn.
«Ihr wisst, Arlo abzusetzen wird nicht einfach sein», sagte er. «Er wird mir die Krone nicht freiwillig überlassen.»
«Es könnte einen Aufruhr im Volk geben», gab der Mann zu bedenken, der als Erster die Hand erhoben hatte. «Auch wenn das Murren immer lauter wird, so genießt Arlo bei den meisten noch immer ein hohes Ansehen. Immerhin regiert er das Land seit sechzehn Jahren.»
«Und die Propheten werden auch nicht schweigen. Sie sind ihrem König treu ergeben.»
«Ich weiß», nickte Drakar. «Aber wenn es uns gelingt, das Volk gegen ihn aufzuwiegeln, stopfen wir dadurch auch den Propheten den Mund.»
«Und wie wollt Ihr das anstellen?»
«Indem wir ihm öffentlich den Prozess machen», erklärte Drakar.
Ein Gemurmel ging durch die Runde. «Ihr wollt den König vor ein öffentliches Gericht schleppen? Ihn vor aller Welt demütigen? Er ist immerhin Euer Bruder.»
«Was sein muss, muss sein», antwortete Drakar gefühlskalt. «Er lässt mir keine Wahl.»
Es war mitten in der Nacht. Arlo schreckte aus seinem Schlaf hoch, als jemand an die Tür polterte. Er rieb sich die Augen und setzte sich auf.
«Ja?», rief er in Richtung Tür. «Wer ist da?»
Anstelle einer Antwort klopfte es erneut, diesmal noch lauter. Arlo schlüpfte in seine Hose, stopfte sich das Nachthemd in den Hosenbund und ging barfuß zur Tür. Als er öffnete, schrak er zusammen. Vor seinem Haus stand eine große Gruppe von Soldaten, bewaffnet mit Knüppeln und Schwertern. Einige hielten Fackeln in den Händen.
«Was ist los?», fragte Arlo. «Wen sucht ihr?»
Ein Kommandant trat vor und erklärte mit stockender Stimme: «Wir sind gekommen, Euch … zu verhaften, Eure Hoheit.»
Arlo schaute sie fassungslos an. «Mich zu … Wer hat das angeordnet?»
Jemand trat zwischen den Männern hervor. Es war Drakar. Arlo betrachtete ihn betrübt.
«Du?»
«Glaub mir, ich hab mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht», sagte Drakar trocken und wich dem Blick seines Bruders aus.
Arlo sah von Drakar auf die vielen bewaffneten Männer und meinte traurig: «Bin ich denn ein Verbrecher, dass ihr euch mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet habt, um mich zu verhaften? Jeden Tag war ich im Tempel. Warum habt ihr mich nicht dort festgenommen?»
«Führt ihn ab!», ordnete Drakar an und gab dem Kommandanten ein Zeichen. Doch dieser zögerte, und als Arlo ihm die Hände entgegenstreckte, wichen die Soldaten stolpernd zurück.
«Worauf wartet ihr noch?», sagte Drakar verärgert. «Ergreift ihn! Der Mann, der hier vor euch steht, ist nicht mehr länger euer König!»
Die Soldaten überwanden sich und fesselten Arlo die Hände. Dann führten sie ihn ab und eskortierten ihn durch die menschenleeren Straßen bis zum Gefängnisturm.
Sie warfen ihn in eine Zelle im obersten Geschoss, ein düsteres Loch aus nacktem Stein, mit etwas Stroh in einer Ecke, das als Bett dienen sollte, und einem
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