Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
winzige Armbrust, deren Spannweite nur einen Fuß betrug, aus einem Holster, das ich an meinem Unterschenkel festgebunden hatte. Die Waffe ließ sich zu einer schmalen Röhre auseinanderziehen, nicht breiter als mein Daumen. Unverzüglich klappte ich den Bogen heraus und spannte die Armbrust so fest wie möglich.
Mittlerweile hatte Gretchen ihr Oberteil abgelegt und trug nur noch den durchsichtigen Rock. Während sie tanzte, zeichneten sich auf ihrem Gesichtsverband nasse Flecken ab: Tränen und Blut. Sie bewegte sich wie eine Marionette.
Ich lud die Armbrust mit einem kurzen, messerscharfen Pfeil, der hoffentlich treffen würde, denn ich hatte nur
diese eine Chance. Ich konnte nur darauf setzen, dass dieser Tanz keine List Caninos war, um mich aus meinem Versteck zu locken. Mit Gretchen hatte ich kein besonderes Mitgefühl – nicht mehr Mitgefühl jedenfalls, als ich es jedem Opfer von Misshandlungen entgegenbrachte. Schließlich hatte sie mir die Droge ins Bier gekippt und Canino dabei geholfen, mich zu malträtieren. Doch vielleicht baute Canino bei seiner Kriegslist trotzdem auf mein Mitgefühl und ging davon aus, dass ich – wie die meisten Männer – beim Anblick einer halb nackten Maid in einer Notlage sofort zu ihrer Hilfe eilen würde.
Mir blieb keine Zeit, weiter darüber zu sinnieren, ob ich in eine Falle tappte. Jetzt oder nie: Ich stand auf, richtete die Armbrust aus, nahm Canino ins Visier und schoss ihm den Pfeil durch den Nacken.
Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber bestimmt nicht das, was ich jetzt sah: Canino zeigte keinerlei Reaktion bis auf die, dass er mit dem Trommeln aufhörte. Gretchen riss die von den Verbänden ausgesparten Augen vor Schreck weit auf, erstarrte mitten in einer Drehung und verschränkte die Arme, um ihre nackten Brüste zu verbergen. In Anbetracht unserer früheren Begegnung fand ich das fehl am Platz.
Ich wartete, doch Canino rührte sich noch immer nicht. Hatte ich Glück gehabt und ihn ins Rückenmark getroffen? Konnte ich ihn so lange aus den Augen lassen, bis ich die Armbrust erneut gespannt und nachgeladen hatte? Keine gute Idee. Also ließ ich sie fallen und zückte stattdessen mein Schwert. Ich hatte zwar wirklich keine Lust, mich auf ein Duell mit Canino einzulassen, konnte aber auch nicht einfach hier stehen bleiben und abwarten,
bis irgendetwas passierte. Als ich einen Schritt nach vorn tat, stand Canino auf und drehte sich zu mir um. Die Bewegung war so schnell und fließend, dass ich fast aufgeschrien hätte.
Die Pfeilspitze ragte vorne aus seinem Hals heraus, seitlich vom Adamsapfel. Der Kragen seines rosafarbenen Hemdes war mit Blut getränkt, aber es war nicht so viel Blut geflossen, wie ich erwartet hatte, da der Pfeil die Blutung gestoppt hatte. Er atmete schwer, verhielt sich jedoch so gelassen, dass er mir Angst einjagte.
»Na, das ist ja wirklich Ironie des Schicksals«, sagte er lächelnd. Seine Stimme klang jetzt rau und heiser, so ähnlich wie die von Sporn.
Ich erwiderte nichts.
Als seine Knie zu zittern begannen, hielt er sich am Sessel fest. »Du hast mir nicht mal eine Chance gegeben«, krächzte er.
»Hatte den Eindruck, du wärst zu gut dazu.«
Plötzlich trat Gretchen vor und zerrte Canino den Pfeil aus dem Nacken. Mit einem widerlich schmatzenden Geräusch glitt er heraus. Als Blut aus beiden Halswunden schoss, wirbelte Canino zu Gretchen herum, die mit dem Pfeil in der Hand wortlos dastand. Frische Tränen hatten den Verband rund um ihre wütend funkelnden Augen durchnässt.
Als Canino sich auf sie stürzte, machte sie keine Anstalten, ihm auszuweichen. Ich sah nicht einmal, wie er das Messer zückte – nur, dass es gleich darauf tief in ihrem Bauch steckte. Mit dem letzten bisschen Kraft riss er es so weit nach oben, bis das Brustbein im Weg war. Danach zog er sie nahe an sich heran und trieb ihr das Messer
noch weiter in den Körper. Er zielte auf das Herz – und fand es schließlich auch.
Lange Zeit blieben beide stehen, ohne sich zu rühren – zwei leblose Körper, die wie zwei Zeltstangen aneinanderlehnten. Ihr Blut vermischte sich und bildete vor ihren Füßen eine Pfütze. Als sie schließlich zusammenbrachen und auf dem feuchten Terrassenboden aufschlugen, spritzten rote Tropfen bis zum Wallgraben und verschwanden in dem tiefschwarzen Wasser.
Die tödliche Auseinandersetzung hatte nicht einmal drei Minuten gedauert und sich fast lautlos vollzogen. Ich steckte mein Schwert in die Scheide zurück,
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