Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
und auf den Boden geworfen.«
»Auch die Schuhe?«
Beim Nachdenken kniff er die Augen zusammen. »Ja, Sir, ihre Schuhe lagen unter den Gewändern.«
Ich nickte, obwohl oder weil es mir so seltsam vorkam wie vieles andere in diesem Zimmer. Wenn ihr die formellen höfischen Gewänder bereits bis zum Knie heruntergerutscht waren, musste es schwierig gewesen sein, aus ihnen herauszusteigen und anschließend aus Schuhen
herauszuschlüpfen, wie Königinnen sie zu tragen pflegen. Ich hatte Rhiannon zwar noch nicht kennengelernt, doch nach dem, wie man sie mir beschrieben hatte, passte ein so wenig elegantes Verhalten schlecht zu ihr. »Was tat sie in dem Augenblick, als du die Tür aufmachtest?«
»Sie hob den Blick und seufzte laut auf.«
»Vor Verblüffung?«
»Nein, Sir. Eher so, als wäre sie erleichtert.« Er holte tief Luft und gab ein lang gezogenes Ahhhh von sich.
»Und sie muckte wegen der Störung auch nicht auf?«
»Nein, Sir, sie wirkte wie berauscht.«
»Und wie lange hielt das an?«
»Bis der König eintraf. Danach schien sie nach und nach wieder nüchtern zu werden.«
»Tja, diese Wirkung hat er oft auf andere Menschen.«
»Ja, Sir.«
Ich schritt am Kreis entlang. »Wurde die Kreide gefunden, mit der sie diese Symbole gezeichnet hat?«
»Nein, Sir.«
»Und wie erklärst du dir das?«
»Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Die eine lautet: Bei diesen Zeichnungen hat sie die Kreide vollständig aufgebraucht. Die andere: Sie hat die Kreide später aus dem Fenster geworfen, und unten ist sie beim Aufschlag in viele Stücke zerbrochen. Ich habe zwar keine Kreidestücke finden können, aber im Hof herrscht reger Verkehr. Vielleicht hat irgendein Wagen die Kreide völlig zerquetscht, ehe ich danach suchen konnte.«
Ich nickte erneut und kehrte zum Fenster zurück. »Hast du irgendetwas, irgendeine Einzelheit in deinem Bericht ausgelassen? Sie mag dir noch so belanglos vorkommen;
trotzdem kann man nie wissen, was sich später als entscheidend entpuppt.«
Er hielt den Blick eisern nach vorn gerichtet, ganz Soldat. »Das ist mir klar, Sir. Aber mein Bericht war so vollständig, wie ich ihn nach bestem Wissen abfassen konnte. Ich habe alles, was mir aufgefallen ist, schriftlich festgehalten. Eure Fragen haben eher mit der Deutung der Indizien zu tun.«
»Stimmt. Und deine Hilfe war mir von unschätzbarem Wert, vielen Dank dafür.«
»Wär das dann alles, Sir?«
»Ja, nur noch eine Frage: Denkst du , dass die Königin diese Tat begangen hat?«
»Ob ich das denke? Ich bin Soldat, Sir, ich denke nicht.«
»Aber du hast dir doch sicher eine Meinung dazu gebildet.«
»Wie wir das alle in gewisser Hinsicht tun.«
Vogel war deutlich anzumerken, dass er sich nicht festlegen würde – vielleicht hatte er genau das irgendwann in seiner Vergangenheit voreilig getan und sich damit in die Nesseln gesetzt. Möglich, dass er aus diesem Grund nicht weiterbefördert worden war. »Also gut, dann nochmals vielen Dank. Und bitte lass von unserem Gespräch vorerst nichts nach außen dringen.«
»Selbstverständlich behandle ich es vertraulich, Sir.« Er verbeugte sich und verließ mich in derselben formellen Haltung, in der er gekommen war.
Ich musterte die Blutflecken auf dem Steinfußboden, kniete mich hin, strich mit den Fingern darüber und schnupperte danach an meinen Fingerspitzen. Ja, das war eindeutig Blut. Irgendjemand oder irgendetwas war in
diesem Zimmer gestorben, so viel stand fest. Doch dem Augenschein war allenfalls in diesem Punkt zu trauen.
Das Kinderfräulein Beth Maxwell war eine fröhliche, rundliche junge Frau, die zweifellos selbst eine gute Mutter abgeben würde, sollte ihr jemals ein Mann begegnen, der ihren üppigen weißen Körper zu würdigen wusste. Sie trug eine makellos saubere Tracht sowie eine kleine Kappe auf den braunen Ringellocken und sah mich mit arglosen Augen an. Für solche Gespräche hatte Phil mir sein Arbeitszimmer überlassen, was mir einen Anstrich von Amtsbefugnis verlieh, den ich sonst nicht hätte vermitteln können.
»Viel’n Dank auch, dass du so schnell Zeit für mich hatt’st«, sagte ich mit bewusst ländlichem Spracheinschlag, um ihr die Befangenheit zu nehmen. »Will dich nur’n paar Sachen fragen, was diesen Abend im Kinderzimmer betrifft.«
Bei der Erinnerung daran zitterte sie leicht. »Werd’ nichts von dieser Nacht vergessen, nie und nimmer.«
»Hatt’ ich auch gehofft. Als die Königin vom Abendessen kam, wirkte sie da irgendwie
Weitere Kostenlose Bücher