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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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Ausschau hielt.
    In der hellen Sonne leuchteten die purpurroten und grauen Kleeblüten, die sich im Wind leicht bewegten. Ich setzte mich auf den Boden und musterte den Bach, den Wald und selbst den Himmel. Alles sah völlig normal aus, aber nach mehr als einem halben Jahrzehnt hätte jeder beliebige Schauplatz eines Verbrechens nicht anders gewirkt. Und ich wusste ja nicht einmal, ob tatsächlich ein Verbrechen vorlag, und wenn doch, dann welches?
    Als ich nach einer grauen Kleeblüte griff und sie anstarrte, klickte irgendetwas in meinem Kopf. Aber ich konnte es nicht richtig fassen. Nachdenklich blieb ich einige Zeit still sitzen – und plötzlich wusste ich, was hier nicht stimmte.
    Klee hatte keine grauen Blüten.
    Ich beugte mich hinunter und sah mir den Klee genauer an. Neben einer Pflanze mit purpurroten Blüten wuchs eine mit grauen, doch bis auf die Blütenfarbe unterschieden sie sich nicht voneinander. Schließlich stand ich auf und betrachtete den ganzen Hügel.
    Oben war ein Kreis von grauem Klee zu sehen, der einen Durchmesser von etwa neun Fuß haben mochte. Von dort aus führte eine schmale Spur der gleichen Kleeart in den Wald hinunter und endete in einer dicken Schicht von Blättern, die sich am Boden gesammelt hatten. Die dichten Bäume ließen an dieser Stelle keinen Sonnenstrahl hindurch.
    Plötzlich krächzte eine Krähe, die auf einem hohen Ast gesessen hatte, und schwang sich in die Lüfte. Unwillkürlich verfolgte ich ihren Flug und sah dabei ihr Gefieder so schillern, wie es mir auch bei den Vögeln auf dem Fenstersims in Rhiannons Zelle aufgefallen war. Auf dem Baum, den die Krähe gerade verlassen hatte, wuchs üppiges Moos mit silberigen Spitzen. Ein schmaler Streifen davon – er wucherte in einer senkrechten Spalte, die auf einen Blitzschlag hindeutete – zog sich den ganzen Stamm hinunter und verschwand schließlich unter der Blätterschicht am Boden. Als ich einige Blätter mit dem Fuß wegscharrte, merkte ich, dass das Moos darunter in gerader Linie weitergewachsen war und dafür, dass kein
Sonnenlicht bis hierher gedrungen war, erstaunlich frisch und grün aussah.
    Ich verfolgte den Moosstreifen, bis er, genau wie ich vermutet hatte, in dem Klee mit grauen Blüten mündete. Jetzt war ich zwar auf etwas Auffälliges gestoßen, doch welche Schlüsse sollte ich daraus ziehen? Eigentlich brachten diese seltsamen Spuren sogar einige meiner Annahmen ins Wanken.
    Doch was sagten mir diese Auffälligkeiten für sich betrachtet? Offenbar war irgendetwas Lebendiges diesen Baum heruntergekrochen, hatte den Boden überquert und war genau dort gelandet, wo mein Freund Phil seine nackte Schönheit gefunden hatte. Dabei hatte es einen Pfad hinterlassen, der das Wachstum leicht aus der Art geschlagener Flora gefördert hatte. War die Spalte, diese Brandnarbe eines Blitzschlags, schon vor dem Moos da gewesen? Oder hatte dieses unbekannte Etwas die Baumrinde gespalten? Ich hatte schon brennende Felsen vom Himmel fallen sehen, heftige Blitze erlebt und mit den seltsamsten Vögeln Bekanntschaft geschlossen, mich konnte also so schnell nichts erschüttern. Doch wie hing das, was ich jetzt vor mir sah, miteinander zusammen?
    Mir fiel dazu nur das ein, was auf der Hand lag: Vielleicht hatte Königin Rhiannon selbst diese Spur hinterlassen, als sie vom Himmel gefallen und in die Sonne gekrochen war. Aber noch war ich nicht bereit, mich auf diese verrückte Vorstellung einzulassen.
    »He!«, sagte eine barsche männliche Stimme in meinem Rücken. »Hände hoch – so hoch, dass ich sie sehen kann!«
    Langsam kam ich der Aufforderung nach. »Ich bin kein Wilderer. Hab die Genehmigung, mich hier aufzuhalten.«
    »Nein, hast du nicht, wenn ich davon nichts weiß!« Die Stimme klang jetzt näher, obwohl ich keine Schritte gehört hatte. Der Kerl wusste sich in diesem Wald zu bewegen. Plötzlich war mir klar, wer hinter mir stand. »Terry?«, fragte ich. »Terry Vint?«
    »Wer will das wissen?«
    Ich grinste. »Jemand, dem du noch was schuldest.«
    »Ich schulde niemandem Geld.«
    »Ich meine auch nicht Geld, sondern einen Rehbock .«
    Er schwieg einen Augenblick. »Eddie LaCrosse?«
    Ich drehte mich zu ihm um. Terrys Vater war in meiner Kindheit der Oberjagdaufseher gewesen, und sein Sohn war mit Phil und mir so oft wie möglich durch die Wälder gezogen. Natürlich war auch Terry deutlich gealtert, aber er grinste noch genauso wie früher. Von seinem Vater hatte er nicht nur die Stellung, sondern, wie

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