Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
nein, dazu war die Ähnlichkeit allzu groß, sie konnte nur die Frau aus meiner Vergangenheit sein. »Also hast du nie den Namen Epona Grau getragen oder ihn irgendwann angenommen?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.« Sie erwiderte meinen Blick, sah mich mit diesen großen, unschuldigen Augen an, die vermutlich selbst den Teufel dazu bringen konnten, sich warm anzuziehen. »Es wäre durchaus vorstellbar. Der Name Rhiannon fiel mir einfach ein, als ich seinerzeit im Wald wieder zu mir kam. Ich dachte, ich hieße so, aber vielleicht habe ich mich auch geirrt. Jedenfalls hat mir bis jetzt niemand einen anderen Namen unterstellt.«
Ich brauchte einen Moment, um mich wieder zu fangen, dann versuchte ich, mein Verhör anders anzugehen, und wechselte von der vertraulichen Anrede zur förmlichen. »Also gut. Nehmen wir für den Augenblick mal an, dass ich mich in Euch täusche, auch wenn die Ähnlichkeit mit Epona verblüffend ist. Ich bin hier, um Phil zu helfen. Er möchte wissen, was in jener Nacht, als Euer Sohn starb, wirklich geschehen ist.«
Unverzüglich, so als hätte sie es einstudiert und nur das richtige Stichwort gebraucht, wichen Verwirrung und königliche Reserviertheit einer zu Herzen gehenden Verletzlichkeit. »Ich bin unschuldig, Herr LaCrosse, das müsst Ihr mir glauben. Ich habe meinen Sohn nicht getötet.«
Jetzt bewegte ich mich auf sichererem Boden, schließlich war ich es gewöhnt, Tatverdächtige zu verhören. »Wer hat es dann getan?«
»Ihr geht von falschen Voraussetzungen aus. Mein Sohn ist nicht tot!« Sie trat auf die Eisenstäbe zu und schien sie umklammern zu wollen, fing sich jedoch im letzten Moment. Offenbar waren ihr die Besuchsregeln gerade wieder eingefallen. »Ich wüsste es, wenn er tot wäre. Schließlich bin ich seine Mutter und könnte es spüren. Aber mir glaubt ja niemand. Alle sind so sehr damit beschäftigt, mich der Tat zu überführen, dass sich keiner bemüht, meinen Sohn zu suchen.«
»Ich glaube Euch.«
»Wirklich?« Fast hätte sie aufgeschluchzt.
Ich nickte nur. Ich hatte so viele solcher Verhöre durchgeführt, dass ihr theatralisches Gebaren schlicht an mir abprallte und ich einen kühlen Kopf bewahrte. »Der Leichnam im Sarg war nicht der Eures Sohnes. Es war
nicht einmal ein menschlicher Leichnam, sondern der eines Affen, wie ich vermute. Trotzdem bringt mich das in meinen Ermittlungen nicht viel weiter, denn ich weiß noch immer nicht, wer hinter dieser Geschichte steckt. Folglich auch nicht, was ich jetzt unternehmen soll.«
In ihrem schönen Gesicht zeichneten sich nacheinander Erleichterung, Angst, Verzweiflung und schließlich eine von Argwohn begleitete Erkenntnis ab. Denselben irgendwie gerissenen wirkenden Blick kannte ich von Eppi Grau. Erneut musste ich mich zusammenreißen, um beim Thema zu bleiben. Vom Fenster her blies der leichte Wind ihr eine blonde Strähne in die Augen, die sie geistesabwesend hinter das Ohr strich. »Was also kann ich tun, um Euch zu helfen, Herr LaCrosse?«
»Meiner Ansicht nach ist Folgendes geschehen: Irgendjemand muss Euch oder Phil so sehr hassen, dass er all diese Mühen der Täuschung auf sich genommen hat. Und da es keine plötzliche Eingebung gewesen sein kann, ist das wahrscheinlich ein Mensch, der schon seit langer Zeit einen Groll gegen Euch oder Phil hegt. Vielleicht sogar schon länger als sechs Jahre.«
Als ihr Blick meinem begegnete, wirkte er ehrlich und offen, das konnte ich nicht leugnen. »Am besten erzähle ich Euch wohl meine Version meiner ersten Begegnung mit Philipp, Herr LaCrosse. Als ich erwachte, lag ich im Wald, mitten in der Sonne in einem kleinen Kleefeld. Ich war nackt und konnte mich bis auf meinen Namen an nichts erinnern. Philipp war auf der Jagd, hatte seine Wachen abgeschüttelt und fand mich dort.« Sie hielt meinem Blick stand. »Und das ist wirklich meine früheste Erinnerung, wie haarsträubend das auch klingen mag.«
»Phil wusste schon immer, wie man Mädchen kennenlernt. Also gut, wart Ihr verletzt?«
»Nein. Es schien mir gut zu gehen. Eigentlich geht es mir ja immer gut. In den letzten sechs Jahren bin ich nicht einen einzigen Tag krank gewesen. Und als ich Pridiri zur Welt brachte, haben meine Wehen nur eine Stunde gedauert. Ich kann es selbst nicht erklären.«
In meinem Inneren hörte ich Epona sagen: Wenn mein Körper sich öffnet, spüre ich, dass ich am Leben bin. »Vielleicht pflegt Ihr einfach eine gesunde Lebensweise. Habt Ihr in den vergangenen Jahren
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