Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
so.«
Plötzlich stellten sich mir die Nackenhärchen auf. Ich sah mir die anderen Reisenden im Gastraum an, doch niemand schien sich für uns zu interessieren. Dennoch war ich mir sicher, dass irgendjemand uns mit mehr als beiläufiger Neugier beobachtete. Dieses Gespür entwickelt man als Soldat sehr schnell, denn bei Kampfeinsätzen darf man sich nicht nur auf die Augen verlassen.
»Vielleicht leidet dein geheimnisvoller Kunde gar nicht unter Verfolgungswahn«, flüsterte ich. »Ich hab da so ein seltsames Gefühl.«
Sie nickte. »Geht mir genauso. Wollen wir flüchten oder den Verfolger aus der Reserve locken?«
»Willst du die Entscheidung etwa mir überlassen?«, zog ich sie auf.
»Ich frag dich lediglich nach deiner Meinung.« Unter dem Tisch trat sie mir heftig gegen das Schienbein. »Das ist mein Auftrag. Aber jetzt mal im Ernst.«
Ich grinste. »Also gut. Wenn selbst ich nur so wenig über deinen Auftrag weiß, wie viel spricht dann dafür, dass irgendein anderer weiß, was du beförderst?«
»Nicht besonders viel.«
»Und eine Frau auf einem weißen Pferd ist auch nicht in Sicht. Also sind die Leute hier an uns wohl genauso wenig oder genauso viel wie an jedem anderen Durchreisenden interessiert. Vermutlich halten sie uns für frisch verheiratet, ein Paar, das jede Menge Hochzeitsgeld in den Taschen hat. Falls wir uns auf einen Kampf einlassen, werden wir allerdings furchtbar viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«
»Und was heißt das? Sollen wir uns einfach tapfer davonschleichen?«
»Du hast das Sagen.«
Sie lächelte. Das tat sie selten, aber wenn es geschah, sah sie umwerfend aus. Dann bildeten sich an ihren Augenwinkeln Lachfältchen, die den gewollt harten und nüchternen Ausdruck der zickigen Kämpferin völlig verschwinden ließen. Sie wirkte dann auch ziemlich schön, jedenfalls vorübergehend. Aber natürlich hätte ich ihr das niemals verraten.
»›Vorsicht ist besser als nachträgliche Einsicht‹, hat mein Vater immer gesagt«, bemerkte sie, während sie Geld herausholte, um die Rechnung zu bezahlen. »Aber wir sollten die Verfolger, falls welche da sind, zumindest wissen lassen, dass wir keine Volltrottel sind.«
Draußen schloss sie sich unauffällig dem Fußgängerstrom an, der sich auf die Brücke zubewegte und von den größeren Kutschen und Pferden auf die Seite gedrängt wurde. Ich ging in die Gegenrichtung, drehte schnell eine Runde um eine Schmiede und sah dabei zwei rohe Kerle aus dem Rasthaus kommen. Als sie Kathi ohne Begleitung sahen, blickten sie sich sofort nach mir um. Offenbar war ihnen klar, dass wir sie hereinlegen wollten. Ich trat so vor, dass sie mich nicht übersehen konnten, und rieb meinen Nasenflügel, um zu zeigen, dass ich genau wusste, was sie vorhatten. Unverzüglich schlurften sie ins Rasthaus zurück. Anscheinend hatten sie keine Lust auf schwere Arbeit.
»Nur zwei Tagediebe, die dachten, sie könnten uns überraschen«, erklärte ich, als ich Kathi eingeholt hatte. »Haben sofort aufgegeben, als sie merkten, dass wir vorbereitet sind. Gute Entscheidung von dir, Kathi.«
Sie nickte nur, aber ich sah, dass sie bei diesem Lob leicht errötete. Und das war so liebenswert – genau wie ihr Lächeln beim Mittagessen –, dass ich mich bei Gedanken ertappte, die in eine ganz neue Richtung wiesen. Aber ich behielt sie für mich. Aus Achtung vor Janette. Und aus Achtung vor Kathi.
All das war zu einer Zeit passiert, als das ständige tagelange Reisen meinem Kreuz noch nicht so zugesetzt hatte wie heute – also vor einer halben Ewigkeit. Mittlerweile war
Poy Sippi ein großer Ort, und der Brückenverkehr floss durch neu errichtete Tore. Wegezoll wurde noch immer nicht erhoben, aber die Fußgänger durften, genau wie Fuhrwerke, die Brücke nur zu jeweils festgelegten Zeiten benutzen. Längst war das Rasthaus, in dem wir seinerzeit zum Mittagessen eingekehrt waren, vom Erdboden verschwunden. Es war einem funkelnagelneuen Wirtshaus gewichen, das mit dem Schild »Wahre Schlemmerspeisen und wunderbare Schankmädchen« für sich warb. Tatsächlich waren die Speisen recht gut und die Mädchen wirklich reizend. Andererseits auch nicht reizender als die in der Schenke nebenan oder gegenüber. Aus diesen Gasthäusern, die einander glichen wie ein Ei dem anderen, war jede persönliche Note gewichen. Das gefiel mir genauso wenig wie die Tatsache, dass diese Wirtschaften weit entfernt lebenden Adelsfamilien gehörten.
»Alles in Ordnung?«, fragte die
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