Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
der Stimme nach älter sein musste. Ich hatte kaum einen Blick mit dem winzigen Mädchen ausgetauscht, da tauchte eine Hand hinter ihm auf und zerrte es aus meinem Blickfeld.
»Hilfe!«, schrie die Kleine.
Ich blickte mich um, doch keiner der Vorübergehenden schien es gehört zu haben. Vielleicht gebot ihnen auch die Vernunft, nicht darauf zu achten. Seufzend löste ich die Arretierung meiner Schwertscheide und ging mit großen Schritten auf die Gasse zu. Heute bin ich mir sicher, dass die Bande es auf jemanden abgesehen hatte, der es nicht fertigbringen würde, ein kleines Kind in gefährlicher Lage im Stich zu lassen – am liebsten irgendeinen naiven Weltverbesserer mit einem Beutel voller Goldmünzen, der sich für unverwundbar hielt. Allerdings sollte die Bande bald merken, wie sehr sie sich in mir
getäuscht hatte: Ich hatte nämlich kaum Geld bei mir. Mein einziger Vorteil lag darin, dass ich genau wusste, worauf ich mich einließ.
Als ich um die Ecke der Schwertschmiede spähte, sah ich, dass die Kleine am Ende der Gasse auf mich wartete. Als ich erkennen ließ, dass ich sie entdeckt hatte, zerrte eine Hand sie erneut aus meinem Blickfeld. Offenbar wollte man mich in die Gasse hinter den Gebäuden locken, wo Abfall und anderer Unrat lagerte.
Am liebsten hätte ich mir selbst eine Ohrfeige versetzt. Selbstverständlich war das hier eine Falle, außerdem hatte ich einen wichtigen Auftrag zu erledigen, doch die verschwindend geringe Möglichkeit, dass ein Kind in Gefahr war, trieb mich trotzdem vorwärts. An den Wänden entlang schlich ich mich bis zum Ende des letzten Gebäudes, blieb stehen und lauschte, hörte jedoch nichts. Schließlich zog ich mein Schwert aus der Scheide, ließ es locker an der Seite baumeln und trat um die Ecke.
Zum Glück hatte ich mich zugleich geduckt, sodass das Holzbrett nicht meinen Kopf traf, sondern die Wand darüber. Mit dem linken Arm schnappte ich mir das Kind, das es geworfen hatte. Es war ein etwa zehnjähriger Junge, der sich mit gut einstudierter Panik in meinem Griff wand und dabei schrie: »Hilfe, Hilfe! Der Kerl hier will mich über die Abfalltonne legen und mir Gewalt antun! Lass mich los, du Kinderschänder!«
An den Haaren zerrte ich ihn zu mir herüber und hielt ihm die Schwertklinge an die Gurgel. Als das Metall seine Haut berührte, erstarrte er.
Ich musterte den Rest seiner Bande: Drei schmuddelige Jungen – der Älteste mochte fünfzehn Jahre alt sein –
starrten mich mit schreckgeweiteten Augen an. Die Kleine, die sie als Lockvogel benutzt hatten, rannte zu ihnen hinüber und versteckte sich hinter ihnen.
Immer noch wehrte sich der Junge, den ich im Zangengriff hatte, deshalb drückte ich ihm die Klinge noch fester gegen die Gurgel. Zwar hatte ich nicht vor, ihn zu töten, aber auch nichts dagegen, ihm einen leichten Schnitt zu versetzen. »Solltet ihr Jungs nicht in der Schule sein?«, sagte ich über den Kopf meiner Geisel hinweg.
»He … Gib uns dein Geld!«, sagte der größte Junge, wie er es als Rädelsführer offenbar gewohnt war.
Fast hätte ich gelacht. »Du spinnst wohl! Wieso gibst du mir nicht dein Geld?!«
Er blinzelte ungläubig. »Was?«
»Hast mich schon verstanden. Her mit dem Geld. Leg’s auf den Boden, vor meine Füße. Na wird’s bald?«
Während die Kinder Blicke miteinander tauschten, rückte ich näher an meine Geisel heran. »Los, sorg dafür, dass sie’s tun!«, knurrte ich ihm ins Ohr.
»Gebt ihm den verdammten Zaster!«, kreischte er.
Der Anführer trat vor. »Nein, ich glaub dir nämlich nicht, dass du ihm was tust!«
Ich schob das Schwert gerade so weit vor, dass ich den Hals der Geisel leicht aufritzte. Es war nicht mehr als ein tiefer Schnitt beim Rasieren, doch das Nette an solch harmlosen, nur die Oberfläche ritzenden Schnitten ist, dass sie teuflisch brennen und heftig bluten. Genau das passierte auch, was den Jungen den Atem verschlug. Das kleine Mädchen begann zu weinen.
»He, Skoti, gib ihm das Geld«, wimmerte meine Geisel.
»Also gut.« Skoti warf mir einen kleinen Beutel vor die
Füße, der klirrte, als er auf dem Boden aufschlug. »Da hast du. Mehr haben wir nicht.«
»Stimmt das auch?«, fragte ich die Geisel.
»Ich schwör’s!«
Langsam zog ich mein Schwert zurück. Der Junge ging davon aus, dass ich ihm gleich die Kehle durchschneiden würde, aber das tat ich natürlich nicht. Als ich ihn losließ, sank er auf die Knie, kroch zu Skoti hinüber und fiel in Ohnmacht, als er nach einem
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