Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
sie mich nicht sonderlich ermutigte – stets bestand sie darauf, dass wir uns auf verschiedenen Seiten des Lagerfeuers schlafen legten –, stand mir einfach nicht der Sinn danach. Natürlich hatte ich mit meinen Truppenkameraden Freudenhäuser besucht, aber Janette war die einzige Frau gewesen, die ich wirklich geliebt hatte. Und selbst nach sieben Jahren war die Erinnerung an sie noch allzu frisch.
ZWÖLF
Z ehn Tage später erreichten Kathi und ich die öffentlich zugängliche Brücke über den Wyomie. Der Frühlingsregen stromaufwärts hatte den Wasserspiegel beachtlich ansteigen lassen, und nur wenige Handbreit unter der Brücke brachen sich riesige schäumende Wellen. Doch zum Glück waren die Ufer steil und mit Felsen übersät, sodass das Wasser die Stadt nicht überflutet hatte. Allerdings würden die Menschen in Poy Sippi die Hosenbeine hochkrempeln müssen, falls es um weitere acht Zoll stieg.
Da der Wyomie schon bei normalem Wasserstand zu gefährlich für Schiffsverkehr war, stellte er eine unpassierbare Grenze zwischen dem Vorgebirge und dem eigenartig geformten Ogachic-Gebirge dar. Im Laufe der Zeit hatte sich der Fluss so tief in den Untergrund gegraben, dass eine tiefe – und mittlerweile berühmte – Schlucht entstanden war. Die Brücke bei Poy Sippi bot meilenweit in jeder Richtung die einzige Möglichkeit, auf die andere Seite des Stroms zu gelangen.
Es war etwa hundert Jahre her, dass ein Landspekulant die Brücke hatte errichten lassen. Er hatte fest damit gerechnet, dass Grund und Boden auf beiden Seiten schnell im Wert steigen würden. Aber da das einzig Bemerkenswerte
an diesem Ort die Brücke war – der Boden ringsum war zu steinig, als dass man Landwirtschaft hätte betreiben können, und man hatte hier trotz jahrelanger Bemühungen auch keine Bodenschätze gefunden –, hatten sich nur sehr zögerlich Familien in Poy Sippi angesiedelt. Als Kathi und ich dort haltmachten, stießen wir nur auf einen schäbigen kleinen Flecken, bewohnt von Leuten, die von den Durchreisenden lebten.
Am Tag unserer Ankunft quoll der Ort von Leuten über, die die Brücke entweder von hier aus überqueren wollten oder von der anderen Seite aus bereits überquert hatten. Ein Wegezoll wurde hier nicht erhoben. Eigentlich hätte die Polizei den Verkehr überwachen sollen, aber wie alle Beamten in abgeschiedenen Provinzen verbrachten sie die meiste Zeit damit, sich ein schönes Leben zu machen und dafür bezahlen zu lassen, dass sie beide Augen zudrückten. Jeder passierte die Brücke auf eigene Gefahr, und falls man verprügelt oder ausgeraubt wurde, war man völlig auf sich gestellt. Stromabwärts wurden häufig Leichen angeschwemmt.
Ehe wir die Brücke überquerten, kehrten wir mittags in einem der Rasthäuser ein, die es an beiden Ufern zu Dutzenden gab. Es hieß ZUR SCHWANKENDEN BRÜCKE , wie ein Schild in großen Lettern verkündete. Darunter stand in kleineren Buchstaben das, was offenbar der aufmunternde Leitspruch des Hauses sein sollte: Man gewöhnt sich an alles, selbst an Schmerzen.
Nachdem man uns das Essen und die Getränke gebracht hatte, beugte sich Kathi zu mir hinüber und sagte leise: »Ich hab genaue Anweisungen erhalten. Wir müssen sichergehen, dass uns niemand über die Brücke folgt. Vor allem keine Frau auf einem weißen Pferd.«
»In Ordnung«, erwiderte ich, denn das war sicher leicht zu bewerkstelligen. »Aber warum?«
»Vermutlich leidet mein Kunde unter leichtem Verfolgungswahn.«
»Und wer ist dieser Kunde? Mal im Ernst: In den letzten zehn Tagen haben wir jede Minute miteinander verbracht, jetzt kannst du mir doch sicher trauen!«
Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe und nickte schließlich. »Also gut. Neulich hab ich einige Liegenschaftsurkunden nach Kap Querna gebracht, das liegt an der Küste von Boscobel. Während ich dort war, hat mich ein Bote aufgesucht und mir diesen Auftrag angeboten. Den Auftraggeber wollte er mir nicht nennen, aber er hat mir sofort den Vorschuss ausbezahlt. Wenn der Auftrag erledigt ist, soll ich nach Boscobel zurückkehren und in demselben Gasthof wie damals absteigen. Dort wird jemand Verbindung mit mir aufnehmen, um die Restschuld zu begleichen.«
Ich musterte sie mit finsterem Blick. »Und mir wolltest du nicht trauen?!«
»Mit Vertrauen hat das nichts zu tun. So arbeiten Kuriere nun mal. Niemals bekommen wir den ganzen Lohn im Voraus. Und oft wissen wir nicht mal, wer uns angeheuert hat. In diesem Gewerbe ist das
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