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Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert des Königs: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Bledsoe
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so üppig, dass mir die uralten Legenden vom »Sommerland« einfielen, wo die Verstorbenen auf ihre Wiedergeburt warten.
    »Wer hätte das gedacht!«, sagte ich.
    »Wieso weiß niemand von diesem Tal?«, fragte Kathi leise.
    Mir war klar, worauf sie hinauswollte. Die Strecke bis hierher war natürlich beschwerlich, aber durchaus zu bewältigen. Und wenn am Ziel ein solches Paradies wartete, warum hatten dann nicht schon viele Menschen vor uns diesen Weg eingeschlagen? Du lieber Himmel, schließlich lag Poy Sippi nur drei Tagesmärsche entfernt. Doch der Pfad, auf dem wir hierhergelangt waren, hatte fast unberührt gewirkt.
    »Und wir sind hier wirklich richtig?«, fragte ich.
    »Ich kann Karten lesen, verdammt noch mal!«
    »Aber ich sehe nirgendwo Landstraßen, Wanderwege oder Rauch von Feuern!« Und das bedeutete: Dieses Tal mochte zwar wunderschön sein, war aber offenbar nicht besiedelt.
    »Nach der Karte sind wir hier jedenfalls richtig!« Vor Enttäuschung ballte Kathi die Fäuste. »Aber wenn hier kein Mensch wohnt, dann helfe mir die Göttin …«
    Ich deutete nach unten. »Schau mal. Da ist jemand.«
    Auf dem Hügel, der uns am nächsten lag, erschien eine
menschliche Gestalt und stieg den grasbewachsenen Abhang hinunter. Mir fielen ihre etwas unbeholfenen Bewegungen auf, und plötzlich merkte ich, was ich vor mir sah: »Das ist ein Kind! Ein kleines Mädchen!«
    Wegen der Entfernung war das Alter der Kleinen schwer zu schätzen, doch aufgrund ihrer ruckartigen, zappeligen Bewegungen nahm ich an, dass sie nicht älter als fünf Jahre sein konnte. Ihr langes dunkles Haar war mit bunten Schleifen geschmückt, und das Kleid wirkte viel zu groß für sie.
    Kathi und ich suchten die Hügel und Wälder nach anderen Menschen ab, konnten jedoch keine entdecken.
    »Sie ist herausgeputzt wie ein Pfingstochse«, meinte Kathi. »Glaubst du, sie hat sich verlaufen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Möglich.«
    »Wir können sie da doch nicht einfach herumirren lassen, ihr könnte leicht etwas zustoßen.«
    »Am besten warten wir noch ein Weilchen ab«, erwiderte ich vorsichtig.
    Plötzlich tauchte eine Pferdeherde auf dem Hügel auf und stürmte auf die Kleine zu. Es waren riesige Wildpferde, meinem Eindruck nach völlig ungezähmt. An ihrer Spitze galoppierte ein schneeweißes Tier, vermutlich ein Hengst. Ich hielt ihn für das Leittier der Herde, die meiner Schätzung nach zwölf Pferde umfasste. Als die Wildpferde den Hügel hinunterstürmten, klang es wie Donnerhall, allerdings wurde der Lärm durch die weiche Grasdecke leicht gedämpft.
    Kathi und ich liefen gleichzeitig los und blieben kurz danach auch gleichzeitig stehen, weil wir beide zum selben Schluss gekommen waren: Bis zu diesem Hügel würden
wir einige Minuten brauchen und das Kind auf keinen Fall mehr retten können.
    Es dauerte nur Sekunden, bis die Pferde das Kind mit donnernden Hufen und fliegenden Mähnen überrannt hatten.
    »Verdammter Mist!«, murmelte Kathi und machte damit dem hilflosen Zorn Luft, den auch ich empfand.
    Am Fuße des Hügels machten die Pferde einen Bogen, galoppierten an einer flachen, schmalen Schlucht entlang und verschwanden aus unserem Blickfeld. Wie wir sahen, hatten sie bei ihrem Sturm über den Hügel ganze Grassoden ausgerissen. Ich suchte ihre Route nach dem Körper der Kleinen ab…
    … und da stand sie und drehte sich fröhlich im Kreis. Völlig unversehrt.
    »Siehst du, was ich sehe?«, fragte Kathi ungläubig. »Keines der Pferde hat ihr ein Haar gekrümmt. Das ist wider alle Wahrscheinlichkeit.«
    Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie hat wirklich unwahrscheinliches Glück gehabt. Ich hätte meinen Jahreslohn darauf gewettet, dass sie keine Chance hat.«
    Mittlerweile waren Menschen auf der Hügelkuppe aufgetaucht, die jubelten und klatschten, wie wir selbst aus dieser Entfernung hören konnten. Alle umringten das Kind, als hätte es irgendein Wunder bewirkt. Und ihr Überleben war ja auch das reinste Wunder. Wie die Kleine trugen die Erwachsenen Festtagskleidung in allen möglichen Farben. Doch es war weder die Jahreszeit, in der man das Erntefest feierte, noch die für den Furchtbarkeitstanz im Frühling. Dennoch handelte es sich eindeutig um irgendeine Festlichkeit.
    Eine Frau nahm die Kleine in die Arme und küsste sie so innig, dass sie nur deren Mutter sein konnte. Immer noch jubelnd, verschwanden die Menschen nach und nach auf entgegengesetzten Seiten des Hügels, die Kleine stolz auf den Schultern ihrer

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