Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
Mondlicht abzeichneten. Ich fühlte mich angespannt, ohne den Grund dafür benennen zu können. Ich war mir völlig sicher, dass niemand uns verfolgte – schon gar nicht irgendeine geheimnisvolle Frau auf einem weißen Pferd. Und in wenigen Tagen würden wir unser Reiseziel erreicht haben. Sobald Kathi das Kästchen abgeliefert hatte, würde sie mir meinen Restlohn auszahlen. Danach war ich wieder ein freier Mann. Dem es auch freistand, zusammen mit Kathi nach Bonduel zurückzukehren, um ihr bei der Arbeit zu helfen. Oder auch aus anderen Gründen mit ihr zusammenzubleiben … Aber wollte ich das wirklich?
Nein, ich wollte Janette. Obwohl Kathi alles war, was ich eigentlich hätte begehren sollen.
Mist, Mist, Mist , dachte ich, während ich mich von einer Seite auf die andere wälzte. Ich konnte nicht fassen, dass diese Geschichte mich tatsächlich um den Schlaf brachte. Schließlich war das für mich nur eine Arbeit wie jede andere gewesen. Kathi hatte mich dafür angeheuert, sie war nicht meine Seelengefährtin. Ich machte viel zu viel aus dieser Sache.
Durch den Rauch sah ich eine ganze Weile zu Kathis Schlafsack hinüber, ehe mir klar wurde, dass sie nicht drinlag. Als ich mich aufsetzte, hörte ich im Bach Wasser aufspritzen. Ich zog meine Hose an, um nachzusehen, was sie dort trieb.
Kathi lag mit ausgestreckten Beinen im flachen Wasser
und lehnte mit dem Rücken an einem Felsbrocken. Selbstverständlich war sie nackt. Während ich sie beobachtete, tauchte sie mit dem Kopf unter Wasser und kam fröhlich japsend wieder hoch. So einen Laut hatte ich bei ihr noch nie gehört. Wenn es auf dieser Welt noch solche unbefangene Freude gibt , dachte ich, ist das vielleicht ein Wink des Schicksals, dass ich lange genug getrauert habe?
»Entschuldigung, ich will nicht stören«, rief ich leise, um Kathi nicht zu erschrecken. »Hab nur gemerkt, dass du verschwunden bist, und wollte nachsehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Konnte mir diese Badegelegenheit einfach nicht entgehen lassen«, erwiderte sie. »Ist zwar eine ohne jeden Komfort, aber trotzdem.« Sie planschte wie ein Kind mit den Füßen im Wasser und gab sich keine Mühe, ihre Nacktheit zu verbergen. Allerdings war es – mal abgesehen vom Mondlicht, das auf dem Wasser spielte – ja sowieso so dunkel, dass der Anstand gewahrt blieb. »Du hast ja keine Ahnung, wie gut das tut.« Sie drehte sich auf den Bauch und kreuzte die Fersen so, dass sie aus dem Wasser ragten. Einen Augenblick lang war nur das Gluckern des Baches zu hören.
»Ich werde wohl zurück zum Lager gehen«, sagte ich schließlich.
»Ich konnte auch nicht schlafen. Irgendwie hat sich in meinem Kopf der Gedanke festgesetzt, dass dieser Auftrag nichts anderes als ein sorgsam ausgetüfteltes Spielchen ist. Und wir die Figuren, die die Spieler ohne zu zögern opfern würden. Kein gutes Gefühl.«
»Stimmt.«
Über die Schulter warf sie mir einen Blick zu. »Wenn
du auch nicht schlafen kannst, wieso kommst du dann nicht mit ins Wasser?«
»Bin kein guter Schwimmer.«
»Ach komm schon! Und wenn’s nur wegen deiner Stinkfüße ist. Die könnten’s wirklich brauchen. Tu’s für mich!«
»Ich muss leider passen.«
Ohne jede Scham, die Hände an die Seiten gelegt, richtete sie sich in dem knietiefen Wasser auf. Das kurze rote Haar war vom Wasser so nach hinten geklatscht, dass das ganze Gesicht deutlich zu sehen war. Das Mondlicht zeichnete ihre glatten Schultern, die Brustansätze und die Hüften nach. Der übrige Körper schimmerte blassgrau und hob sich kaum von dem funkelnden Bach ab.
Ich hatte schon sehr viele Frauen nackt gesehen, aber keine davon war mir so nackt wie Kathi vorgekommen. Nicht nur ihre Haut lag bloß, sondern auch eine Seite an ihr, die sie sonst tief unter der nach außen hin robusten Persönlichkeit verbarg. Genauer gefasst: Sie wirkte jetzt nicht mehr wie eine erwachsene Frau, sondern wie ein unberührtes Mädchen, das die Prüfungen des Lebens noch vor sich hatte. Mit »unberührt« meine ich nicht die körperliche Jungfräulichkeit, sondern eine innere Unschuld: Im Herzen hegte sie noch Vorstellungen, die das Leben mir längst ausgetrieben hatte.
»Ich hab eine Überraschung für dich«, sagte sie.
»Du hast mich jetzt schon überrascht.«
»Es ist das Einzige, um das du mich je gebeten hast.«
Sie wandte mir den Rücken zu. Ja, da war tatsächlich eine Tätowierung zu sehen. Quer über die Schultern zog sich ein Tanzmädchen, dessen Beine bis zur Mitte des
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