Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
lediglich gezeigt, wozu eine erzürnte Göttin imstande ist, Eddie. Habe ihm jeden einzelnen Knochen in Armen und Beinen gebrochen und sie ihm danach in den Rumpf gestoßen. Habe ihn in menschliches Treibgut verwandelt und zurück ins Meer geworfen.« Als sie mit der Flasche herumfuchtelte, spritzte Wein quer durchs Zimmer. »Außerdem habe ich den schlimmsten Fluch über ihn verhängt, der mir einfiel: Er ist mit einem sehr, sehr langen Leben gestraft.«
Sie nickte abschließend, trank noch einen Schluck Wein und ließ sich schwer in den Schaukelstuhl fallen. »Und tatsächlich lebt er immer noch. Er würde gern sterben, weil seine Schmerzen niemals nachlassen, aber diese Gnade gewähre ich ihm nicht. Jetzt noch nicht.« Sie trank die Flasche aus und schleuderte sie Richtung Küche, wo sie an einer Wand zerbarst. »Aber jetzt verstehst du wohl, dass er immer noch wütend auf mich ist.«
»Allerdings.«
Sie musterte mich mit zusammengekniffenen Augen,
als wäre ihr erst jetzt aufgefallen, welche Wirkung sie auf mich hatte.
»Hoppla«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Ich bin so in meiner Geschichte aufgegangen, dass ich deine ganz vergessen habe.« Unvermittelt sprang sie auf, wäre dabei fast umgefallen und streckte kichernd die Hand nach mir aus. »Komm schon, Eddie. Zeit für deine Belohnung.«
Sie zog mich auf die Füße und zu ihrem Bett hinüber, ohne dass ich mich dagegen wehrte. Als sie sich das durchsichtige Gewand über den Kopf streifte, fiel mir zum ersten Mal auf, wie leichenblass und ausgezehrt ihr Körper wirkte. Offensichtlich war sie tatsächlich so schwer krank, wie Nicole behauptet hatte. Nicht, dass mich das – oder sonst etwas – zu diesem Zeitpunkt noch hätte bremsen können. Sie war die erregendste Frau, der ich je begegnet war.
Als ich einen ihrer Arme vorsichtig anhob, sah ich, dass dessen Innenseite von großen verschorften Beulen überzogen war, die sich vom Handgelenk bis zum Ellenbogen erstreckten. Manche rötlichen Stellen waren auch frisch entzündet und vereitert. »Verdammt noch mal, Eppi, was ist dir zugestoßen?«
»Hm? Ach das da?« Sie befreite den Arm aus meinem Griff, streckte ihn hoch, grub ihre scharfen Fingernägel in das weiche Fleisch und fuhr damit an der Innenseite des Arms entlang, wobei sie vor Schmerz keuchte. Ehe sie es am anderen Arm wiederholen konnte, hielt ich sie fest, obwohl sie sich schwach dagegen wehrte.
»Lass mich, Eddie, ich bin geradezu süchtig danach. Denn wenn mein Körper sich öffnet, spüre ich, so seltsam, verrückt oder widernatürlich das auch klingen mag,
dass ich am Leben bin und da draußen eine Welt auf mich wartet, die ich in mich aufnehmen kann.«
Das Blut sickerte in dünnen Rinnsalen ihren Arm herunter. Eigentlich hätte viel mehr Blut herausströmen müssen; sie musste wirklich schwer krank sein. Doch als der Schmerz nachließ, stöhnte sie mit fast sexueller Befriedigung auf. »Manchmal male ich mir aus, wie ich mir ein Stilett durch die Wange stoße«, japste sie. »Stell dir mal die Wunde vor! Die Wange ist zwar ein hartes Stück Arbeit, aber man kann es schaffen.«
»Du brauchst Hilfe.«
»Nein, ich brauche einen Fick. Solange ich noch kann, muss ich alle Empfindungen von euch Menschen kennenlernen. Ich habe jedem menschlichen Impuls nachgegeben, diesen Körper allem und jedem geöffnet. Und das bringt mich jetzt um. Ich habe nicht mehr lange, Eddie. Und du auch nicht.«
Bei dieser Bemerkung hätten bei mir alle Alarmglocken läuten sollen, ich hätte ihr nachgehen müssen. Da war sie, die beiläufig erwähnte Information, die ich gebraucht hätte, um die drohende Gefahr zu erkennen. Doch als sie mir ungeniert zwischen die Beine griff, überwältigten mich meine niederen Instinkte, und mir war alles andere egal.
Nachdem sie mich aufs Bett gezerrt hatte, zog ich mich hastig aus. Sie spreizte unverzüglich die Beine, schlang sie um mich und drückte mich an sich, die Hände in meinem Haar vergraben. Ihr Körper war heiß, bestimmt hatte sie Fieber, aber sie war trotzdem verblüffend stark. Als ich auf ihr angespanntes Gesicht hinunterblickte, auf dem sich eher Schmerz als Lust abzeichnete, durchströmten mich Gefühle, die ich fast vergessen hatte. »Sag mir bitte, woher
du von Janette weißt, Epona«, bat ich sie, plötzlich ernüchtert.
Sie küsste mich mit einer Zärtlichkeit, die mir bei der Erinnerung heute noch Tränen in die Augen treibt. Es war ein Kuss, der so viel Anteilnahme, so bedingungslose Liebe
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