Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
einen langen Blick aus. Da ich ihn nicht einfach nach Kathi fragen wollte, stellte ich die Frage, die auf der Hand lag: »Und warum das alles?«
»Weil Andras Reese mich dafür bezahlt hat, genauso, wie er dich bezahlt hat.«
Schon wieder wirbelten dieser Name und der schrecklich einprägsame Reim in meinem Kopf herum.
»Er hat mich angeheuert und mir aufgetragen, mich in diesem Dorf anzusiedeln, in die Dorfgemeinschaft einzugliedern und abzuwarten, bis von ihm geschickte Lieferboten auftauchten. Danach sollte ich jeden Dorfbewohner töten. Eigentlich eine recht einfache Arbeit. Und er hat unglaublich viel dafür gezahlt.«
Also hatte Carnahan den Wein vergiftet. Da es der Abend eines Festtags war, hatte er davon ausgehen können, dass nur die Kinder und ein paar Erwachsene, die niemals Wein tranken, vom Gift verschont bleiben würden. Und mit diesen Überlebenden hatte er offenbar leichtes Spiel gehabt, denn er war nicht einmal außer Atem.
»Eine recht einfache Arbeit«, wiederholte ich.
Ein weiteres Gebäude stürzte ein, doch weder er noch ich sahen hin. Nach und nach beruhigte sich mein Pulsschlag. Panik und Entsetzen wichen den kühlen Überlegungen des Berufssoldaten. Ich sah keinen Grund, das
Notwendige weiter hinauszuschieben. »Hast du auch Kathi umgebracht?«, fragte ich.
Er nickte so, als wäre er fast ein bisschen zerknirscht. »Sie war in der Badewanne eingeschlafen. Es war ein schneller Tod.«
Jetzt bewegte ich mich auf vertrautem Gebiet. Carnahan war zwar stämmiger und stärker als ich und besser bewaffnet, dazu noch mit meinem Schwert, aber ich war schon größere Risiken eingegangen. Ich ließ meine Jacke fallen, denn nach der Hitze in Eppis Kate, meinem verrückten Spurt durch den Wald und wegen der lodernden Flammen ringsum war ich in Schweiß gebadet. Doch innerlich war ich eiskalt.
Carnahan senkte das Schwert und nahm eine lockere Verteidigungshaltung an. Vertrauensseligkeit konnte man ihm gewiss nicht nachsagen, er würde sich keine Blöße geben. »Spricht ja nichts dagegen, dass du einfach von hier verschwindest«, bemerkte er. »Hab dir ja gesagt, dass du bei Epona am sichersten aufgehoben bist. Du hast nicht im Dorf gelebt, also stehst du auch nicht auf meiner Liste. Meine Arbeit ist erledigt.«
Ich kniete mich hin und zog mein Messer aus dem Stiefel. Es war zwar kaum länger als sieben Zoll, aber für meinen Zweck würde es ausreichen. Ich hielt es locker in der Hand. »Meine aber nicht.«
Ich schleuderte das Messer genau auf sein Herz. Da er wegen unseres Pfeilspiels wusste, dass ich gut zielen konnte, war er darauf vorbereitet und wehrte es mit dem Schwert mühelos ab. Nur übersah er dabei das zweite, nur drei Zoll lange Messer, das ich heimlich aus einem zweiten Versteck gezogen hatte und eine Sekunde später warf.
Allerdings hätte es ihn fast verfehlt, denn ich hatte seine Abwehr unterschätzt. Er bewegte sich viel schneller als gedacht, sodass das zweite Messer seinen Kopf nur streifte. Chance vertan , dachte ich, bis ich den ersten Blutstrahl aus seiner Halsschlagader schießen sah. Zunächst wusste er nicht einmal, dass ich ihn getroffen hatte, bis er merkte, dass ihm warmes frisches Blut auf Schultern und Arme spritzte. Als er schließlich die Hand auf die Wunde drückte, war ein Viertel seines Blutes schon in die Dunkelheit geschossen – zuerst in hohem Bogen, dann mit versiegendem Strahl.
Kurz darauf entglitt ihm das Schwert, und er sank auf die Knie, doch ich hielt weiterhin Abstand. Durch die Finger, die er an den Hals presste, sickerte immer noch Blut. Er sagte kein Wort, aber in seinen Augen konnte ich keine Spur von Hass entdecken. Bis zum Ende verhielt er sich wie ein Berufssoldat.
Als er schließlich zusammenbrach, blieb ich sitzen und wartete so lange ab, bis kein Blut mehr kam, was ziemlich lange dauerte. Mittlerweile lagen die Häuser ringsum in Schutt und Asche und hatten nur glühende Reste hinterlassen. Das Knacken und Zischen der schwelenden Trümmer drang laut durch das ansonsten totenstille Dorf.
Irgendwann stand ich auf, nahm mein Schwert an mich und trennte Stans Leichnam mit einem sauberen Schnitt den Kopf ab. Nach meiner Erfahrung ist es immer besser, auf Nummer sicher zu gehen.
Der einzige Mensch, den ich beerdigte, war Kathi. Ich bestattete sie in einem flachen, nicht gekennzeichneten Grab. Ihren verschmorten, fast verkohlten Körper fand ich
in den Trümmern eines abgebrannten Hauses, er lag immer noch in der gusseisernen Badewanne. Vor
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