Das Schwert des Königs: Roman (German Edition)
dass ihn ein Mädchen einfach so hatte niederschlagen können. Aber ich warnte ihn vor jedem zweiten Versuch, irgendeinem Lebewesen auf der Insel den eigenen Willen aufzuzwingen. Schließlich war mir mein kleines Inselexperiment wichtig; alles, was ich geschaffen hatte, war mir mittlerweile ans Herz gewachsen. Trotzdem wollte ich verstehen, was diesen Mann umtrieb.«
Inzwischen war Eponas Gewand noch weiter nach unten gerutscht. Nichts hätte ich jetzt lieber getan, als die zarte Linie ihres Schlüsselbeins und ihren schlanken Hals
geküsst. Ich konnte nicht fassen, wie erregt sie mich machte. So etwas hatte ich seit … hatte ich nie zuvor im Leben gespürt.
»Als er am folgenden Tag langsam wieder nüchtern wurde, beobachtete ich ihn heimlich, während er über die Insel wanderte«, fuhr sie fort. »Alle meine Tiere besaßen eine viel schärfere Auffassungsgabe als üblich, und er merkte bald, dass sie ihn verstanden, wenn er mit ihnen redete. Ich ließ jedoch nicht zu, dass sie ihm antworteten, schließlich wollte ich ihn ja nicht in den Wahnsinn treiben. Ich wollte ihm nur vermitteln, dass es eine Sanftmut und Herzensgüte gibt, die alles übersteigt, was er zu kennen glaubte.«
Sie zog erneut an der Pfeife. »Und er begriff es«, drang ihre Stimme aus einer Rauchwolke. »Zumindest spürte er es. Im Grunde war Andras ein anständiger Mensch mit einem freundlichen Herzen und der Fähigkeit, Liebe zu empfinden. Bis er wieder zu trinken anfing. Und diesmal versuchte er tatsächlich, mich zu vergewaltigen, und da zeigte ich ihm, dass er es mit keiner gewöhnlichen Frau zu tun hatte, indem ich ihm einfach so …«, sie schnippte mit den Fingern, »… beide Daumen brach. Ich sagte ihm, dass ich ihm seine schlechte Manieren nur noch dieses eine Mal vergeben und ihm bei einer Wiederholung zeigen würde, wozu ich fähig sei. Danach heilte ich seine Brüche. Selbstverständlich kam er gar nicht auf den Gedanken, ich könnte eine Göttin sein. Er hielt mich einfach für eine erfahrene Magierin oder Hexe.
Ich gab ihm also eine zweite Chance, doch das hätte ich niemals getan, hätte ich mir Zugang zu all meinem Wissen gestattet.«
Beiläufig warf sie die Pfeife ins Feuer, wo sie zwischen zwei brennenden Holzscheiten liegen blieb, stand auf und ging zur Tür. »Beschämt und vor Wut außer sich, stapfte er davon. Unterwegs stieß er auf ein Eichhörnchen, das in den vergangenen Tagen zu seinem besonderen Gefährten geworden war. Aber er war nicht in der Stimmung für dessen zutrauliche Gesellschaft.«
Sie blieb stehen und sah nach draußen. Als sie sich wieder zu mir umwandte, standen Tränen in ihren Augen. »Er schnappte sich das Eichhörnchen und riss ihm den Kopf ab … genauso schnell und mühelos, wie ich seine Daumen gebrochen hatte. Er war immer noch betrunken, fühlte sich gedemütigt und wollte seine Wut an irgendeinem Lebewesen auslassen, egal an welchem. Den Leichnam des kleinen Tiers warf er weg, als wäre er Abfall. Und dieses Eichhörnchen war sein Freund gewesen, verstehst du? Es war ihm überallhin gefolgt, hatte ihm zugehört und ihm Gesellschaft geleistet, damit er sich nicht so einsam fühlte. Hatte Nüsse für ihn gesammelt und ihm vor die Füße gelegt. Und er brachte es so beiläufig um, wie ich die Pfeife ins Feuer geworfen habe.«
Nachdem sie noch einen Schluck Wein getrunken hatte, holte sie tief Luft. »Puh, das tut immer noch so weh, als wäre es erst gestern gewesen. Dieses Eichhörnchen war ein Teil von mir, genauso wie du und alles andere. Als ich spürte, wie das Eichhörnchen starb, wurde ich fuchsteufelswild und ließ in meinem Kummer einen Sturm über die Insel peitschen, der Andras fast umgebracht hätte. Aber so einfach wollte ich ihn nicht davonkommen lassen. In der Hütte, die ich für ihn geschaffen hatte, schlief er ein, doch am nächsten Morgen wachte er an dem
Strand auf, an dem er angespült worden war. Die Insel war nur noch ein nackter Felsen im Meer, denn mit meinem Sturm hatte ich alles, was darauf wuchs, weggefegt.«
Während sie weitererzählte, kehrte sie ins Zimmer zurück. »Ich erklärte ihm genau, wer ich bin und was ich vermag, und sagte ihm, er müsse die Insel verlassen. Und was glaubst du, was passierte? Er besaß tatsächlich die Dreistigkeit zu fragen: ›Und was ist, wenn ich mich weigere? ‹«
»Was hast du dann getan?«
Sie lächelte eiskalt, und zum ersten Mal seit meiner Ankunft in der Kate spürte ich einen Anflug von Furcht. »Ach, ich habe ihm
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