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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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tat sich auf.
    Das Untier, das dort gelauert hatte, stand auf vier Beinen; dennoch reichte es mir mit seinen plumpen Schultern bis zum Kopf. Seinen Schädel trug es tief, und der Kamm aus Fell, der von seinem Rücken aufragte, bedeckte die Ohren bis zu den Spitzen. Im Schein des Feuers glänzten seine Zähne weiß und glühten die Augen rot. Ich habe die Augen vieler Kreaturen gesehen, die angeblich von jenseits der Weltgrenze stammen – angelockt, wie gewisse Philonoisten behaupten, durch den Tod derjenigen, die ihre Genese hier gehabt haben, ebenso wie latschige Eingeborenenstämme mit ihren Steinmessern und Feuern in Gegenden vorrücken, die Krieg oder Seuchen entvölkert haben; aber ihre Augen sind nur Tieraugen. Die roten Glotzer des Alzabos, die weder die Intelligenz des Menschengeschlechts noch die Unschuld von Vieh in sich bargen, waren mehr. So sähe ein Dämon aus, stellte ich mir vor, hätte er sich endlich aus dem Schlund eines finsteren Sterns nach oben gekämpft; dann kamen mir die Menschenaffen in den Sinn, die freilich Dämone geheißen wurden, aber die Augen von Menschen hatten.
    Zunächst schien es so, als ließe sich die Tür wieder schließen. Casdoe, die entsetzt zurückgefahren war, wollte sie zustoßen. Der Alzabo kam langsam, sogar träge näher, war aber trotzdem schneller, und das Türblatt prallte gegen seine Rippen wie gegen Stein.
    »Laß sie offen!« rief ich. »Wir brauchen alles Licht.« Ich zückte Terminus Est, so daß die Klinge im Feuerschein blitzte und selbst wie ein grimmiges Feuer leuchtete. Eine Armbrust, wie sie Agias Handlanger geführt hatten, deren Bolzen sich durch die Reibung mit der Luft entzünden und beim Aufschlag zersplittern wie in einen glühenden Ofen geworfene Steine, wäre eine bessere Waffe gewesen; allerdings ließe sie sich nicht als verlängerter Arm wie mein Terminus Est einsetzen, und vielleicht hätte eine Armbrust dem Alzabo die Möglichkeit gegeben, mich anzuspringen, während ich sie spannte, falls der erste Bolzen das Ziel verfehlt hätte.
    Die lange Klinge meines Schwertes verhütete diese Gefahr nicht gänzlich. Die eckige, stumpfe Spitze könnte dem Tier nichts anhaben, falls es spränge. Ich müßte es in der Luft zerhauen, und obgleich ich nicht bezweifelte, einen so feisten Nacken beim Ansprung durchtrennen zu können, wußte ich doch, daß ein Fehlschlag den sicheren Tod bedeutete. Obendrein brauchte ich genügend Platz zum Ausholen, wofür diese enge Stube recht ungeeignet war; und obgleich das Feuer niedergebrannt war, brauchte ich Licht.
    Der Greis, der Knabe Severian und Casdoe waren allesamt verschwunden – ich war mir nicht sicher, ob sie über die Leiter in den Dachboden geklettert waren, während ich in die Augen des Untiers starrte, oder ob wenigstens der eine oder andere hinter ihm durch die Tür geflohen war. Nur Agia, die sich in eine Ecke duckte, war zurückgeblieben und schwang Casdoes Stock mit der Eisenspitze, gleichsam wie ein Seemann in höchster Not versuchen würde, eine Galeere mit einem Enterhaken abzuwehren. Ich wußte, wenn ich sie anspräche, lenkte ich die Aufmerksamkeit auf sie; jedoch böte sich mir dadurch vielleicht die Gelegenheit, ihm das Rückgrat zu durchtrennen, drehte es ihr auch nur flüchtig das Gesicht zu.
    Ich erklärte: »Agia, ich brauche Licht! Im Dunkeln wird’s mich umbringen. Du sagtest einst zu deinen Männern, du würdest mich von vorn packen, wenn sie mich von hinten anfielen. Ich pack’ dieses Vieh allein, wenn du mir nur eine Kerze bringst.«
    Sie nickte zum Zeichen, mich verstanden zu haben, woraufhin das Untier sich mir näherte. Es sprang mich jedoch nicht an, wie ich erwartet hatte, sondern tappte träge, wenn auch gewandt, nach rechts. Zielstrebig hielt es auf mich zu, blieb allerdings außerhalb der Reichweite meiner Klinge. Erst nach einer Weile verstand ich, daß es mich durch seine Position nahe der Wand in meinem Angriff einengte, und daß ich, könnte es einen Bogen um mich machen (was ihm fast schon gelungen war), um zwischen das Feuer und mich zu gelangen, den Vorteil des Lichts größtenteils einbüßte.
    So begannen wir also ein vorsichtiges Spiel, worin der Alzabo die Stühle, den Tisch und die Wände bedacht für sich ausnutzte, während ich versuchte, Platz für mein Schwert zu gewinnen.
    Dann sprang ich vor. Der Alzabo konnte meinem Hieb, wie es schien, nur um Fingerbreite ausweichen, stürzte auf mich los und konnte sich vor meinem Gegenschlag gerade noch mit einem Satz

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