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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hättest dich ihm nur versprochen, falls er mich tötete.«
    »Dies und vieles mehr hab’ ich ihm versprochen und ihn mir somit unterworfen. Er ist dir voraus, Severian, und wartet nur auf ein Wort von mir.«
    »Mit weiteren seiner Untiere? Danke für die Warnung. So ist’s doch gewesen, nicht wahr? Er hat dich und Agilus mit den Tierchen bedroht, die er aus anderen Sphären mitgebracht hat.«
    Sie nickte. »Er kam, um seine Kleider zu verkaufen, Kleider nämlich, wie sie auf den alten Schiffen getragen wurden, die vor langer Zeit über den Rand der Welt hinausgefahren waren. Und es handelte sich dabei keineswegs um Kostüme oder Fälschungen oder auch alte Gewänder von einem Bestatter, die jahrhundertelang im Dunkeln gelegen hatten, sondern Kleider, die so gut wie neu waren. Er sagte, seine Schiffe – all jene Schiffe – hätten sich in die Schwärze zwischen den Sonnen verirrt, wo sich die Jahre nicht wenden. Verirrt, so daß nicht einmal die Zeit sie finden könne.«
    »Das weiß ich«, sagte ich, »von Jonas.«
    »Nachdem ich erfahren hatte, daß du Agilus töten würdest, ging ich zu ihm. Er ist stark wie Eisen in mancher, schwach in vielerlei Hinsicht. Hätte ich ihm meinen Leib vorenthalten, hätt’ ich mit ihm nichts anfangen können, aber ich tat all die sonderbaren Dinge, die er von mir verlangte, und machte ihn glauben, ihn zu lieben. Nun tut er alles, was ich will. Er folgte dir in meinem Auftrag, nachdem du Agilus umgebracht hattest; mit seinem Silber heuerte ich die Männer an, die bei der alten Mine unter deiner Hand fielen. Aber die Kreaturen, über die er gebietet, werden dich doch noch erledigen, wenn ich’s hier nicht selber tue.«
    »Du wolltest also warten, bis ich schliefe, dann heruntersteigen und mich ermorden, nehm’ ich an.«
    »Ich hätt’ dich zuvor geweckt, hätt’ ich erst das Messer an deiner Kehle gehabt. Aber der Junge sagte mir, du wissest um mein Hiersein, und ich dachte, so wär’s noch netter. Doch sag, wie hast du das mit Hethor erraten?«
    Ein Windstoß fuhr durch die schmalen Fenster. Dadurch fing das Feuer zu qualmen an, und der Greis, der wieder stumm davor hockte, hustete und spuckte in die Kohlen. Der kleine Knabe, der vom Dachboden heruntergeklettert war, während Agia und ich uns unterhielten, sah uns aus großen, unverständigen Augen an.
    »Ich hätt’s viel früher wissen müssen«, erwiderte ich. »Mein Freund Jonas ist auch ein solcher Seemann gewesen. Du wirst dich an ihn erinnern – du hast ihn kurz am Mineneingang gesehn und mußt von ihm gewußt haben.«
    »Selbstverständlich.«
    »Vielleicht waren sie vom selben Schiff. Oder aber sie hätten sich an irgendeinem Merkmal gegenseitig erkannt, was zumindest Hethor wohl befürchtete. Jedenfalls kam er mir selten nahe, wenn ich mit Jonas unterwegs war, obgleich er zuvor so auf meine Gesellschaft erpicht gewesen war. Ich entdeckte ihn in der Menge, als ich zu Saltus eine Frau und einen Mann hinrichtete, aber er versuchte dort nicht, sich mir anzuschließen. Auf dem Weg zum Haus Absolut sahen Jonas und ich ihn hinter uns, allerdings lief er erst zu mir, nachdem Jonas davongeritten war, obschon er’s bestimmt kaum erwarten konnte, sein Notule wiederzuhaben. Als er ins Vorzimmer des Hauses Absolut geworfen wurde, machte er keinen Versuch, sich zu uns zu setzen, obwohl Jonas eh so gut wie tot war; aber irgend etwas, das eine schleimige Spur zurückließ, suchte unseren Platz ab, als wir uns entfernten.«
    Agia sagte nichts, und mit ihrem Schweigen hätte sie die junge Dame sein können, die ich am Morgen nach meinem Aufbruch von unserem Turm beim Abnehmen der Schutzgitter an den Fenstern des schmuddligen Ladens gesehen hatte.
    »Ihr beide werdet auf dem Weg nach Thrax meine Spur verloren haben«, fuhr ich fort, »oder durch irgendeinen Zwischenfall aufgehalten worden sein. Und hattet ihr sogar festgestellt, daß wir in der Stadt seien, so wußtet ihr wohl doch nicht, daß ich die Vincula leitete, denn Hethor ließ seine Kreatur auf der Suche nach mir die Straßen durchstreifen. Irgendwie fandet ihr dann Dorcas im Entennest …«
    »Wir waren selber dort abgestiegen«, erklärte Agia. »Wir waren erst ein paar Tage zuvor angekommen und gerade unterwegs, um dich zu finden, als du kamst. Nachdem mir später aufgegangen war, daß die Frau in dem Dachzimmerchen das verrückte Mädchen aus dem Botanischen Garten sei, errieten wir trotzdem nicht, daß du sie hergebracht hättest, denn das Weib vom Gasthaus sagte,

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