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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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daß ich das Steinhäuschen mit seinem Rauch-und Küchengeruch bald hinter mir ließe. Ich sah hinein, und mein Blick fiel auf den Blutfleck des Alzabos und den zertrümmerten Stuhl. Casdoe hatte den Tisch an seinen alten Platz gerückt; auf ihm hatte die Klaue, die so schwach geschimmert hatte, keine Spur hinterlassen. Da ich nichts entdeckte, was sich mitzunehmen lohnte, ging ich hinaus und schloß die Tür.
    Dann machte ich mich auf den Weg, Casdoe und den Ihren folgend. Ich verzieh ihr nicht, mir beim Kampf mit dem Alzabo kein Licht gegeben zu haben – es wäre ihr ein leichtes gewesen, die Laterne vom Dachboden aus nach unten zu halten. Dennoch konnte ich’s ihr nicht verübeln, für Agia Partei ergriffen zu haben, war sie doch ganz allein unter den starrenden Gesichtern und eisigen Kronen der Bergwelt; und das Kind und der Greis, die dabei keine große Schuld treffen konnte, waren mindestens so verwundbar wie sie.
    Der Weg war so weich, daß ich buchstäblich ihrer Spur folgen konnte, denn deutlich sah ich Casdoes kleine Tritte, die noch kleineren des Knaben daneben, wovon jeweils zwei auf einen Schritt seiner Mutter kamen, und diejenigen des Greises mit auswärts gedrehten Zehen. Ich ging langsam, um sie nicht einzuholen, und obgleich ich wußte, daß es für mich mit jedem Schritt gefährlicher wurde, hoffte ich doch, daß ich gewarnt wäre, würden die Patrouillen des Archons sie aufhalten und ausfragen. Casdoe konnte mich nicht verraten, und würde sie auch noch so aufrichtig antworten, denn die Dimarchi würde ihre Auskunft nur in die Irre leiten; und falls der Alzabo erschiene, hoffte ich, ihn vor dem Angreifen hören oder riechen zu können – schließlich hatte ich nicht geschworen, ihm die Beute widerstandslos zu überlassen, sondern nur, ihn nicht zu jagen oder im Haus zu bleiben.
    Der Pfad war wohl lediglich ein Wildwechsel, den Becan erweitert hatte; bald hörte er auf. Die Landschaft war nicht so öde wie über der Baumgrenze. Die Südhänge waren oft mit kleinen Farnen und Moosen bedeckt, und auf den Felswänden wuchsen Koniferen. Brausende Wasserfälle waren nie ganz außer Hörweite. In mir besann sich Thecla an ein recht ähnliches Plätzchen, das sie in Begleitung ihres Lehrers und zweier ruppiger Leibwächter zum Malen aufgesucht hatte. Ich bekam das Gefühl, bald auf die Staffelei, die Palette und die unordentliche Pinselkiste zu stoßen, irgendwo an einer Kaskade achtlos liegengelassen, sobald die Sonne nicht mehr im Spritzwasser funkelte.
    Natürlich stieß ich nicht darauf, und mehrere Wachen lang war weit und breit von Menschen überhaupt nichts zu sehen. Zu den Tritten von Casdoes Gruppe gesellten sich diejenigen des Wilds und zweimal die lehmigen Abdrücke der lohfarbenen Katzen, die Jagd auf es machen. Die Spuren stammten gewiß schon vom frühen Morgen, als es zu regnen aufgehört hatte.
    Sodann entdeckte ich den Abdruck eines bloßen Fußes, größer als der des Greises. Tatsächlich war ein jeder so groß wie mein Stiefelabdruck, und der Schritt desjenigen, von dem sie herrührten, war durchaus länger als der meine. Die Fährte verlief im rechten Winkel zu jenen, denen ich folgte, aber ein Abdruck lag über demjenigen des Knaben, was zeigte, daß jener Wanderer zwischen uns gegangen war.
    Ich eilte vorwärts.
    Ich vermutete, die Spuren rührten von einem Autochthonen her, obgleich mich sein langer Schritt erstaunte, denn diese Wilden der Berge sind recht kleinwüchsig. Handelte es sich tatsächlich um einen Autochthonen, wäre es unwahrscheinlich, daß er Casdoe und den Ihren zur ernsten Bedrohung würde, obschon er sie vielleicht ausplündern würde. Von dem, was ich bisher gehört hatte, waren die Autochthonen zwar listige Jäger, aber nicht kriegerisch.
    Die Abdrücke bloßer Füße wiederholten sich. Wenigstens drei oder mehr hatten sich dem Vorläufer angeschlossen.
    Deserteure wären eine andere Sache; etwa ein Viertel der Gefangenen in den Vincula waren solche Männer mit ihren Frauen, und viele davon hatten die gräßlichsten Verbrechen begangen. Deserteure wären gut bewaffnet, aber auch gut beschuht, würde ich meinen – zumindest nicht barfüßig.
    Der Weg führte nun steil bergan. Ich sah die Löcher von Casdoes Stock im Boden und bemerkte die geknickten Zweige, an denen sie und der Greis sich hochgezogen hatten – wovon manche vielleicht auch von ihren Verfolgern abgebrochen worden waren. Ich überlegte, daß der Greis inzwischen erschöpft sein müßte, und

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