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Das Schwert des Liktors

Das Schwert des Liktors

Titel: Das Schwert des Liktors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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allen menschlichen Lebens in diesem zerschmetterten Haupt verkörpert. Aber Fechin war nicht hier. Neben dem Greis lag mit blutenden Kiefern der Hund.
    Ich blickte mich nach dem Knaben um. Zu meinem Entsetzen schmiegte er sich an den Rücken des Alzabos. Sicherlich hatte dieses Untier ihm in der Stimme seines Vaters zugerufen, und er war herbeigelaufen. Nun zuckten die Hinterläufe krampfhaft, und die Augen waren geschlossen. Als ich den Knaben beim Arm nahm, trat die Zunge, breiter und dicker als die eines Ochsen, aus dem Maul, als wollte es ihm die Hand lecken; dann bebten die Schultern so heftig, daß ich zurückfuhr. Die Zunge glitt nicht wieder ganz ins Maul, sondern blieb schlaff im Gras liegen.
    Ich zog den Knaben fort und sagte: »Nun ist’s vorbei, kleiner Severian. Alles in Ordnung mit dir?«
    Er nickte und fing zu weinen an, und eine lange Zeit trug ich ihn und ging auf und ab.
    Schon zog ich es in Betracht, die Klaue zu gebrauchen, obgleich sie mich in Casdoes Haus wie auch schon früher im Stich gelassen hatte.
    Doch wer wollte, hätte sie geholfen, sagen, was dabei herausgekommen wäre? Ich hatte keine Lust, den Zoanthropen oder dem Alzabo neues Leben zu gewähren, und was für ein Leben ließe sich Casdoes kopflosem Leichnam schenken? Was den Greis anging, so hatte er bereits an der Pforte des Todes gesessen; nun war er gestorben, und schnell obendrein. Wäre er mir dankbar gewesen, hätte ich ihn zurückgerufen, nur damit er in ein, zwei Jahren abermals stürbe? Das Juwel leuchtete in der Sonne, aber sein Schein war bloßes Sonnenlicht, und nicht das Licht des Schlichters, der Gegenschein zur Neuen Sonne, also steckte ich sie wieder weg. Der Knabe sah mir mit großen Augen zu.
    Terminus Est war bis zum Heft und weiter blutrot. Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und reinigte es am modrigen Holz, während ich überlegte, was nun zu tun sei, woraufhin ich die Klinge abwischte und ölte. Die Zoanthropen und der Alzabo waren mir einerlei, aber die Leichen von Casdoe und dem Greis als Fraß der Tiere zurückzulassen, dagegen sträubte ich mich.
    Auch riet mir die Vernunft davon ab. Was wäre, wenn ein anderer Alzabo käme und, hätte er von Casdoes Fleisch geschmaust, dem Knaben nachsetzte? Ich erwog, ob ich sie beide in ihr Häuschen zurücktragen sollte. Es war jedoch ein ganzes Stück Weges; ich könnte sie nicht gleichzeitig tragen, und es schien gewiß, daß derjenige Leichnam, den ich zunächst zurückließe, zerfleischt wäre, sobald ich wiederkäme. Vom Anblick des Blutbads angelockt, kreisten über uns bereits auf Schwingen, breit wie die Hauptrah einer Karavelle, aasfressende Teratornise.
    Eine Weile suchte ich den Boden ab, um eine weiche Stelle zu finden, wo ich sie mit Casdoes Stock eingraben könnte; schließlich trug ich beide Leichen zu einem Steinfeld nahe einem Wasserlauf und schichtete dort ein Hügelgrab über ihnen auf. Darunter könnten sie, hoffte ich, für ein knappes Jahr ruhen, bis die Schneeschmelze zur Zeit des Fests der heiligen Katharina die Gebeine von Vater und Tochter fortspülen würde.
    Der kleine Severian, der mir zuerst nur zugesehen hatte, hatte schließlich selbst kleinere Steine herangetragen, bis der Grabhügel fertig war. Als wir uns im Bach vom Schmutz und Schweiß reinigten, fragte er: »Bist du mein Onkel?«
    Ich antwortete ihm: »Ich bin dein Vater – einstweilen zumindest. Wenn einem der Vater stirbt, braucht man einen neuen, wenn man noch so jung ist wie du. Dieser bin ich.«
    Er nickte gedankenverloren; und plötzlich entsann ich mich, erst zwei Nächte vorher von einer Welt geträumt zu haben, worin alle Leute darum wüßten, durch die Bande des Blutes vereint zu sein, stammten sie doch vom selben Kolonistenpaar ab. Ich, der ich den Namen der eigenen Eltern nicht kannte, könnte sehr gut verwandt sein mit diesem Knaben, der meinen eigenen Namen trug – und überhaupt mit jedermann, dem ich begegnete. Die Welt, von der ich geträumt hatte, war für mich das Bett gewesen, worin ich gelegen hatte. Ich wünschte, ich könnte beschreiben, wie ernst wir an diesem murmelnden Bach gewesen sind, wie hehr und rein er ausgesehen hat mit seinem nassen Gesicht und den Tropfen, die in den Wimpern seiner großen Augen glänzten.
     

 
Severian und Severian
     
    Ich trank so viel Wasser, wie ich konnte, und erklärte dem Knaben, er müsse das ebenfalls tun, denn es gebe viele trockene Gegenden in den Bergen und wir bekämen vielleicht erst am nächsten

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