Das Schwert des Liktors
wunderte mich, daß seine Tochter ihn noch immer zum Weitergehen bewegen konnte; vielleicht wußte er, wußten sie alle, daß man ihnen auf den Fersen war. Als ich mich dem Kamm näherte, hörte ich den Hund bellen und dann (zugleich schien’s mir fast wie ein Echo aus der letzten Nacht) einen wilden, unartikulierten Schrei.
Dennoch war’s nicht der greuliche, halb menschliche Schrei des Alzabos. Es war ein Laut, wie ich ihn oft vernommen hatte, zuweilen sogar gedämpft auf meiner Pritsche neben Roche und oft dann, wenn ich zu den diensthabenden Gesellen in der Oubliette die Speisen für sie selbst und die Klienten hinuntertrug. Es war haargenau der gleiche Schrei wie von einem Klienten des dritten Stockwerks, der nicht mehr zusammenhängend sprechen konnte und deshalb aus praktischen Erwägungen nie wieder in den Verhörsaal gebracht wurde.
Es handelte sich um Zoanthropen, wie ich sie, wenn auch als falsche Masken, auf Abdiesus’ Ridotto zu Gesicht bekommen hatte. Als ich die Kuppe erreichte, konnte ich sie ebenso sehen wie Casdoe, ihren Vater und Sohn. Man kann sie nicht als Menschen bezeichnen; aber aus der Ferne haben sie wie Menschen gewirkt. Neun geduckte Nackte umringten die drei hüpfend. Ich eilte voran, bis ich sah, wie einer mit seiner Keule den Greis niederstreckte.
Dann zauderte ich, und es war nicht Theclas Angst, die mich innehalten ließ, sondern meine eigene.
Ich hatte gegen die Menschenaffen der Mine gekämpft, und vielleicht sogar tapfer, aber ich hatte kämpfen müssen. Ich hatte dem Alzabo bis zum Patt die Stirn geboten, aber ich hätte höchstens in die Nacht hinaus fliehen können, wo er mich bestimmt umgebracht hätte.
Nun hatte ich die Wahl, und ich verharrte, wo ich war.
Da sie in dieser Gegend lebte, mußte Casdoe um sie gewußt haben, auch wenn sie ihnen vielleicht noch nie begegnet war. Während der Knabe sich an ihren Rock klammerte, schlug sie mit ihrem Stock wie mit einem Säbel um sich. Ihre Stimme drang an mein Ohr trotz des Geschreis der Zoanthropen – schrill, wirr und scheinbar entrückt. Mich befiel das Grauen, das einen stets überkommt, wenn eine Frau angegriffen wird, aber daneben oder vielleicht darunter meldete sich der Gedanke, wer nicht mit mir kämpfen wollte, müsse nun allein kämpfen.
Es konnte natürlich nicht lange dauern. Solche Kreaturen lassen sich entweder sofort in die Flucht schlagen oder aber überhaupt nicht. Als ich sah, wie einer den Stock ihrer Hand entwand, lief ich, Terminus Est zückend, über den langen Hang hinab zu ihr. Die nackte Gestalt hatte sie auf den Boden geworfen und machte (wie ich glaubte) Anstalten, sie zu vergewaltigen.
Dann stürzte etwas Gewaltiges aus dem Dickicht zu meiner Linken. Es war so groß und flink, daß ich’s zunächst für einen roten Renner ohne Reiter und Sattel hielt. Erst als ich seine blitzenden Fänge sah und einen Zoanthropen aufschreien hörte, erkannte ich es als den Alzabo.
Die anderen rannten sofort gegen ihn an. Das Auf und Ab der schwingenden Eisenholzkeulen wirkte groteskerweise wie die nickenden Köpfe einer Hühnerschar beim Picken nach dem ausgestreuten Korn. Dann flog ein Zoanthrop durch die Luft, und er, der vorher nackt gewesen war, schien nun in einen scharlachroten Mantel gehüllt.
Als ich mich in das Kampfgewühl stürzte, lag der Alzabo unten, aber ich konnte mich zunächst nicht um ihn kümmern. Terminus Est surrte im Kreise um meinen Kopf. Ein Nackter fiel, dann ein zweiter. Ein faustgroßer Stein sauste so dicht an meinem Ohr vorüber, daß ich seinen schwirrenden Flug hören konnte; hätte er getroffen, wäre ich im nächsten Moment ein toter Mann gewesen.
Aber ich hatte hier nicht die Menschenaffen der Mine vor mir, die ob ihrer Überzahl nie zu überwältigen wären. Ich hackte einen von der Schulter bis zur Hüfte entzwei, Rippe um Rippe ratternd durchtrennend, hieb nach einem zweiten und spaltete einem dritten den Schädel.
Dann war alles still bis auf den wimmernden Knaben. Sieben Zoanthropen lagen blutüberströmt auf dem grasbedeckten Hang, wovon vier, wie ich glaubte, meinem Terminus Est und drei dem Alzabo zum Opfer gefallen waren. Casdoes Leib steckte ihm im Maul; Kopf und Schultern waren bereits verschlungen. Der Greis, der Fechin gekannt hatte, lag gekrümmt wie eine Puppe da; dieser berühmte Maler hätte seinen Tod zu einem wunderbaren Kunstwerk gestaltet, ihn aus einer Perspektive dargestellt, die kein anderer entdeckt hätte, und die Würde und Vergänglichkeit
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