Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
auf meine Kehle, etwas unsicher, ob er die Gelegenheit nicht doch ergreifen würde. Ich wusste ja nicht, ob er mich nicht selbst beim Überwachen überwacht hatte. Aber er ließ das Messer in der Scheide. So tief rührte ihn das Ergebnis meiner Überwachung, dass ihm sogar ein paar Tränen aus den Augen liefen. Als Porno-König war man ja an tief fliegende blaue Bohnen gewöhnt und scharf geschliffene Messer, aber nicht an die große, die ganz große und immerwährende Liebe. Weil „Respekt“ und „Anstand“ meine zweiten Vornamen waren, verzichtete ich in der Folge darauf, sein Herzliebchen noch einmal zu besuchen, doch meine Träume von ihr waren immer noch süß. Bald darauf starb sie an Langeweile, und Willi wurde einsam und kriegte diesen Druck auf der Brust, und jetzt kommt er nicht mehr ohne Lemmys Tabletten für Bomberpiloten und Elefantenkühe durch den Tag.
* * *
Ich duschte und machte einen auf Onkel Willi aus St. Pölten, Wörtherseeurlaub 1956 – kurze Hose, Hawaiihemd, goldene Schirmmütze, dazu Sandalen und Socken. Ich sah richtig scheiße aus, unauffällig wie Gras in der Wiese, aber verdammt noch mal, genau das war ja mein Job.
Soweit sich Herschel erinnern konnte, hatte Hildchen für heute Nachmittag einen Termin mit ihrem Lover ausgemacht, flüsternd am Klo. Ich würde also später vor ihrer Wohnung auf sie warten und dann ein Auge auf sie werfen.
Bis dahin war aber noch genügend Zeit, also hüpfte ich auf einen Sprung hinunter zu Lemmy. Als ich eintrat, zerriss er gerade eine Ausgabe der Stadtzeitung Schmetterling , die sich immer aufrecht gegen Rott, das braune Arschloch, und seine Volksfront stemmte und das vielfarbige Zusammenleben im Lichte des Multikulti lobte. Genau das richtige Hirnfutter für all die Dachbodenausbauer und Besseresser in der Gegend. Lemmy aber hatte den Schmetterling nicht zum Lesen abonniert, er portionierte damit seine Dope-Rationen, weil das Papier so weich und zart war wie Schmetterlingsflügel, wie er immer sagte, und trotzdem so reißfest.
Diese verdammten Dealer.
Ich bat ihn um eine großzügige Tagesration, schön eingewickelt in Schmetterlingspapier. Überwachen war schließlich anstrengend und langweilig, da musste man zwischendurch schon etwas zu tun haben.
Er gab mir genug, um damit halb Woodstock zu versorgen, und bat mich dann noch, für ihn eine Packung Blasentee von Darjeeling-Silke zu besorgen, und zwar heute. Ich sagte: „Herrgott, Lemmy! Ich will nicht zu Darjeeling-Silke!“
Früher, wenn ich manchmal über Happiness drüberrutschte und sie partout nicht wollte, dass ich die Sache schnell zu Ende brachte, weil es ihr gerade so viel Spaß mit mir und Klein-Rocky machte, dann dachte ich dabei immer an Edeltraud aus der Roten Beete, einem Biogemüseladen weiter westlich vom Brunnenmarkt in der Weyprechtgasse. Edeltraud war eine Vollöko-Braut mit leichtem Hang zur Sacktitte, Worte wie „schmalbrüstig“ und „flachärschig“ waren für sie erfunden worden. Ihre Finger waren von der Erde, die immer noch an ihrem Gemüse klebte, ganz schwarz. Dafür waren die langen, gelockten Haare früh ergraut, ihre Saris trug sie lang und weit, und ihre Füße steckten in Wollsocken, die sie auch den Sommer über trug. Edeltraud war also nur unwesentlich hässlicher als der Krieg in Russland, sie sah so scheiße aus, dass Happiness immer eine lange Freude an mir und meinem kleinen Rocky hatte, wenn ich während dem Drüberrutschen an sie dachte.
Aber Edeltraud war eine Eins-a-Spitzenbraut gegen Darjeeling-Silke. Das wollte ich damit eigentlich sagen.
Vor vielen Jahren war Silke Fiegl aus Tirol vom sicheren Feldweg abgekommen und bei uns hier im Viertel gelandet. Am Anfang hatte sie es noch mit Original Tiroler Schafskäse direkt am Markt versucht, aber die Idee mit dem Schafskäse hatten schon andere vor ihr gehabt, ein paar davon waren Türken. Bald orientierte sie sich also neu, wie das so Mode war, und nach einer längeren Indien-Reise war sie mit Tee zurückgekommen und verkaufte das Zeug in einem kleinen Laden namens Silkes Teehaus in einer finsteren Seitengasse vom Brunnenmarkt.
Auch dafür interessierte sich zunächst niemand außer ein paar Asylanten, denen sie dort die Art von Tee verkaufte, die die Jungs an die eigene zurückgelassene Mutti zuhause in der Streusiedlung erinnerte. Bald hieß es aber gerüchtehalber, dass bei Silke schon mal mehr drin war als ein wärmendes Tässchen Tee zur Weihnachtszeit, vorausgesetzt, man hatte vorher
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