Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
türkische Flaggen. Man konnte es mit seiner Freude auch übertreiben, natürlich. Aber Rott, das braune Arschloch, hatte auch nicht nur nett über sie geredet.
Und es widerstrebte mir, wie die Gosse seit Wochen und Monaten die paar kleinen Probleme unseres Viertels behandelte und dabei immer gegen die Türken und für Rott, das braune Arschloch, Stimmung machte.
Na gut, es gab da diese Überfälle von Türken auf einheimische Kleinstunternehmer wie den Trafikanten Danner, die in letzter Zeit die Gosse und ihren Hofdichter beschäftigten:
Türkenbanden, Türkengangs
nehmen sich die Freiheit
zu rauben und zu stehlen
das nennen sie dann Arbeit.
Für mich waren diese Überfälle aber nichts weiter als die logische Folge einer verfehlten Wirtschaftspolitik, und ich schlug mich routinemäßig auf die Seite der Bedürftigen. Jeder musste schließlich schauen, wie er ein wenig Brot zwischen die Beißerchen kriegte. Und ich fand, dass von allen Möglichkeiten, sich was dazuzuverdienen, Arbeit die schlechteste war.
* * *
Bevor ich gleich bei Gutti andocken musste, wollte ich mir noch einen kurzen Überblick über die hiesige Zeitungslandschaft abseits der Gosse verschaffen.
Ich parkte den Toyota vor Danners Tabak-Trafik. Sie lag am äußersten südlichen Rand des Yppenplatzes und war in einer Art Holzkiste untergebracht, die ca. zwei mal zwei Meter maß, auf vier Stützen befestigt war und zu der eine Holztreppe hinaufführte.
Danner war vor einem geschätzten halben Jahr der Erste gewesen, der hier in der Gegend „von einem Türken“ überfallen worden war, und es folgten noch vier weitere Überfälle auf ihn. Die Gosse hatte seit ihrem Erscheinen ungefähr zur selben Zeit all diese Überfälle ausführlich behandelt, wochenlang verging kein Tag, an dem in dem Käseblatt nicht etwas über Danner zu lesen war:
Trafikant überfallen – Es war ein Türke! (März)
Trafikant – schon wieder von einem Türken überfallen! (April)
Danner – dieses war der dritte (Türken-)Streich! (Mai)
Ein paar knackige Wortspenden gegen das zugezogene Hirtenvolk waren von Danner jederzeit zu kriegen. Die jeweiligen türkischen Übeltäter hatten sich nämlich den einzigen ausgewiesenen Rechtsextremisten in der Gegend ausgesucht, der seine Anschauung so selbstbewusst vor sich hertrug wie seine zwei netten Hängebrüstchen und die ordentliche Plautze, die er nur notdürftig unter seinem kampfgrünen Unterhemd verdeckte; fünfzig Kilo weniger auf den Rippen, und er hätte etwas mehr Platz gehabt in seiner Bude. Seine Haut war dort, wo sie nicht mit Blut und Ehre tätowiert war, in extremstem Weiß gehalten, die Haare trug er streng auf Glatze getrimmt, alles ganz vorschriftsmäßig. Schon seine einnehmende Erscheinung wäre eine Erwähnung im Lonely-Planet-Reiseführer wert gewesen.
Interessanter Typ, dachte ich immer wieder, wenn ich bei ihm einkaufte und mir seine Tiraden um die Ohren flogen. Ein bisschen schwierig, ein bisschen paranoid, aber insgesamt eine recht ordentliche Schnittmenge dessen, was den kleinen Mann in unserem schönen Land ausmachte. Darum ging ich da freiwillig nicht so gerne hin, aber Lemmy brauchte nun mal seine langen Papers, und das Monopol für Drogenzubehör aller Art lag oft genug in der Hand rechtsextremer Spinner, nicht nur in Mittelamerika.
Gerade, als Danner als Opfer für die Gosse nicht mehr viel herzugeben schien, stürmte vor ein paar Wochen ein weiterer Türke zu ihm hinein, schrie „Geld!“ und schoss ihm dankenswerterweise die Eier weg. So jedenfalls schilderte Danner es damals dem Reporter der Gosse , und der hatte wieder ein paar schöne Schlagzeilen:
Danner – von Türken entmannt!
Danner – mein Leben ohne Hoden!
So hatte er es zu einer kleinen regionalen Berühmtheit gebracht und war eine feste Größe am Gossen -Himmel geworden.
Als ich bei Danner eintrat, sprang mich ein furchtbares Raubtier namens Schweißgeruch an. Es hatte annähernd vierzig Grad da drinnen, aber die Tür war zu, und Ventilator oder Klimaanlage lehnte der Vollnazi aus irgendeinem Grund ab.
Damit es auch richtig kuschelig wurde, hatte er noch die Crème des Viertels um sich versammelt. Teiggesichtige Sozialhilfeempfänger, die in ihren Military-Hosen allesamt keinen Wert darauf legten, sich zu waschen oder sich für die Mädchen in der Szene irgendwie schick herzurichten, scharten sich um ein Exemplar der heutigen Gosse und besprachen, was zu besprechen war: ob der Scheiß-Türke, der Rott erledigt
Weitere Kostenlose Bücher