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Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)

Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)

Titel: Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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du denn noch immer nicht, dass man eine Zeitung von vorne nach hinten liest?“
    Ich fragte: „So wie die Japaner?“
    Das sollte ein kleiner Witz sein, um dem Gespräch ein wenig die Spannung zu nehmen. Tief drinnen war Gutti nämlich schwer gereizt und drohte zu explodieren, ich spürte es genau. Und als ich das Blättchen umdrehte, wusste ich auch, warum. Da stand es blutrot auf unschuldsweiß, sogar mit Trauerrand:
    Skandal! Türke schlägt Wursthändler Rott tot!
    Zeitungen wurden heute von irgendwelchen Schulabbrechern gemacht, die schnell viel Geld verdienen wollten. Schreiben musste man dort nicht mehr können, es genügte die reine Niedertracht. Da war also noch viel Luft nach oben, wenn man sich diese Schlagzeile anschaute. Ich fragte Guttmann: „Meinen die Rott, das braune Arschloch?“
    „Genau den.“
    Ich sagte: „Aber das ist doch großartig!“
    Meine Begeisterung war nicht gespielt.
    Seit der letzten Wahl hatte Guttmann eine neue Vorgesetzte im Ministerium, neben der ein nordkoreanisches Kriegsschiff mit ausgefahrenen Bordkanonen freundlich und charmant wirkte. Die Schreckschraube hatte sich sofort mit dem Boulevard vermählt und ging seither zusammen mit der Gosse auf die Jagd nach Ausländern insgesamt und nach Scheinasylanten im Besonderen. Drängendere Aufgaben wie „korrupte Finanzminister an den Eiern aufhängen“ lagen ihr nicht so am Herzen. Während der Staat nach innen hin verfaulte, schossen die sich immer nur auf die Türken ein. Die Bullerei umgekehrt kriegte immer weniger Geld, was zwar Lemmy zum Beispiel nicht störte, aber Guttmann schon, seit er sich auch schon mal das Klopapier von zuhause mit in die Arbeit nehmen musste, weil sie im Büro einfach wochenlang keines hatten. Er war jetzt 52 Jahre alt und sollte noch mindestens acht Jahre Dienst schieben, bevor er die Füße ausstrecken durfte. Von diesen acht Jahren würde er zwar mindestens die Hälfte im Krankenstand verbringen, aber die andere Hälfte halt ohne Klopapier.
    So einem Menschen konnte ich meine Hilfe nicht verwehren.
    Ich verzichtete auf die kalte Dusche, verschob die sorgfältige Mundhygiene auf morgen und spülte den klebrigen Mund mit einem vollen Becher Eau de Wacholder. Das Eau spuckte ich wieder aus, den Erdäpfelsaft aber, den ich dann in den Becher leerte, trank ich.
    Wie so oft machte mich der erste Schluck des Tages zuerst euphorisch, dann nachdenklich. Zuerst dachte ich: Kaum laufe ich diesem Rott über den Weg, ist er schon tot, super Sache eigentlich! Vielleicht war es gestern ja meine bloße Anwesenheit, die ihn später sterben ließ, mein schlechtes Karma oder wie man das nannte. Wenn das der Fall war, dann hatte ich vielleicht doch noch eine glorreiche Zukunft vor mir und konnte eine Menge Schotter damit verdienen. Das machte mich euphorisch.
    Als ich mir aber die Weißwäsche anzog, rief irgendetwas in mir plötzlich „Alarm!“, und ein paar düstere Gedanken zogen in meinem Oberstübchen auf: Seit ein paar Wochen war es still um Rott geworden. Wie es hieß, hatte er sich eine Fleischvergiftung eingefangen, als er an einer Döner-Bude vorbeigegangen war, von dort aus sollen die bösen türkischen Viren auf ihn übergesprungen sein und ihn vergiftet haben. Das konnte man der Gosse glauben oder auch nicht. Ich war da eher skeptisch.
    Aber dann tauchte er gestern ausgerechnet mit Hildchen zusammen wieder auf, gerade als ich sie überwachte. Warum? Hatte sie etwas damit zu tun? Guttmann würde mir sicher die eine oder andere Frage dazu stellen wollen, und am Ende kam er noch auf die verrückte Idee, dass Herschel diesem Rott als Türke verkleidet das Licht ausgeblasen hatte, aus Gründen der Eifersucht. Bullen kamen ja oft auf die verrücktesten Ideen!
    Nun war ich von Aussehen und Wesen her natürlich kein Türke: Mir fehlten die buschigen Augenbrauen, und ich mochte keinen Hammel; ich aß keine Sonnenblumenkerne und spuckte die Schalen nicht kiloweise auf die Straße. Aber auf meine Art war ich dann doch heimatverbunden, ich wohnte nun einmal hier in Klein-Anatolien, und die vielen lustigen Jogginghosenträger waren mir irgendwie ans Herz gewachsen. Kurz: Ich war jetzt sogar ein wenig stolz, dass einer von „uns“ Rott, das braune Arschloch, zusammengefaltet und ins Jenseits befördert haben sollte.
    Als ich auf die Straße trat, fiel mir sofort auf, dass die Schnauzbartträger heute alle ganz fröhlich waren, sie hielten die Gosse hoch und schrien „Türkiye!“, und aus ihren Fenstern hingen

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