Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
kümmerte sich in dieser Privat-Reha-Klitsche niemand darum, ob er noch lebte oder nicht. Garderobentechnisch war bei Rott nicht viel zu holen, auch keine Blumen, die man hätte weiterschenken können, keine privaten Schnappschüsse, die man an eine Zeitung hätte verkaufen können. Ein Fleischhauerleben eben.
Nur auf seinem Nachttisch lag ein gelber Ordner, den nahm ich mit, und ein Kalender von seiner Bank, da stand aber nicht viel drinnen. Nur für gestern, 16 Uhr hatte er sich etwas notiert: Bukowski, Terrasse.
Da sagte mir der Kalender aber auch nichts Neues. Ich klemmte ihn mir mitsamt dem gelben Ordner unter den Arm und sagte: „Das nehm’ ich mit. Dafür kriegst du frei Haus geliefert.“
Er sagte: „Au, fein! Danke.“
Unten angekommen fläzte sich Tilman wieder in seine Loge. Dort kannte er sich aus, dort fühlte er sich am wohlsten. Eine kräftige türkische Putzfrau mit schönem Damenbart schob ihr Putzwägelchen an uns vorbei, sie wälzte sich durch den Gang wie ein träger Tsunami. In Tilmans Augen sah ich, dass sie ihm gefiel. Auch einer wie er musste schließlich mal träumen dürfen. Ich sagte: „Genau dein Typ, was?“
Tilman lief rot an, er schämte sich. Aber da gab es nichts zu schämen. Fette zieht es zu Fetten, das ist nun mal so. Und warum? Weil Schlanke sich nicht mit Fetten treffen wollen. Zu unterschiedlich sind die Esskulturen, das Freizeitverhalten, die sexuellen Vorlieben (das ist allerdings eine Annahme, die sich auf keinerlei persönliche Erfahrungen stützt) usw.
Der Damenschnauzer der Türkin brachte mich schließlich zur letzten Frage der Veranstaltung: „In letzter Zeit vielleicht irgendwelche auffälligen Schnauzbartträger hier gesehen, die man im weitesten Sinne Türken nennen konnte? Außer die da?“
Ich deutete auf die Putzfrau, und Tilman sah mich bescheuert an. Ich verzichtete darauf, weiterzubohren. Stattdessen griff ich nach dem Telefonhörer auf seinem Schreibtisch und bat ihn, mir ein Gespräch nach draußen zu zaubern. In diesen Tagen war es vor allem wichtig, auf der Ausgabenseite zu sparen. Ich nannte ihm die Nummer von Gutti, die er eintippen sollte, und schon hob der ab: „He, Guttmann, hast du schon herausgefunden, wo Willi das Schwein liegt?“
Er sagte es mir, und ich gab Tilman den Hörer zurück.
„Danke.“
„Bitte.“
Er lächelte mich an. In einem anderen Leben hätten wir vielleicht Freunde werden können. In diesem musste ich ihm aber noch mit einem guten Ratschlag aushelfen: „Versuch es doch mal mit Sauerkrautsuppe gegen das ganze Fett, Tilman! Geruchsmäßig kannst du ja nicht mehr viel anrichten!“
* * *
Diese Dicken machten mich immer so fertig, sie konnten einem richtig leidtun. Und erst ihr Gestank!
Im Toyota zog ich erst mal einen Ordentlichen durch, den ich auch dringend nötig hatte. Während ich durchzog, studierte ich den Briefverkehr, den Rott mit einer Schönheitsklinik im 19. Bezirk geführt hatte, in der er Anfang Mai eingecheckt war, zum Zwecke des Anal-Bleachings, wie das dort hieß. Allem Anschein nach machte er diese Klinik für seine Krankheit verantwortlich und drohte ihr mit einer Klage. Er wollte eine nicht geringe Summe für erlittene Unbill, die Klinik wollte aber nicht zahlen, weil sie abstritt, die Unbill verursacht zu haben. So stand’s in den Briefen.
Plötzlich fiel mir auf, dass mit Ende Juni die Korrespondenz aus der Klinik heraus mit anderem Briefkopf geführt und Rott in etwas sperrigem Deutsch darauf hingewiesen wurde, dass die Klinik nun einen neuen Eigentümer habe und also nicht zuständig sei, die vielen Üs und Ös in der Korrespondenz deuteten darauf hin, dass hier Türkisch geschrieben wurde. Rott hing da irgendwie in einer Warteschleife fest und wusste nicht recht, an wen er sich wegen seiner Klage wenden sollte. Und ich überlegte nun, ob sein Treffen mit Hildchen etwas damit zu tun gehabt hatte, schließlich war sie Anwältin. Ein rein berufliches Zusammentreffen der beiden wäre mir jedenfalls sehr recht gewesen.
Die vielen Buchstaben in den vielen Briefen und der Joint in meinem Mund machten mich schießlich müde, zusammen mit dieser verdammten Hitze, und so schlief ich irgendwann im Toyota ein.
Beim Schlafen war ich dann leider blöd genug, den linken Arm aus dem Toyotafenster hängen zu lassen. Das sah zwar kühl aus, war aber letztlich zu heiß. Als ich nämlich wieder aufwachte, war mein linker Hammer rot wie die kommunistische Fahne und brannte wie die katholische
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