Das Schwert des Ostens: Krimi (German Edition)
so meine Zweifel und legte den Papiersack, den mir Tilman von der Jause übrig gelassen hatte, zu dem Stapel mit Briefen dazu, dann fragte ich Rosi, wie denn der ihrer Meinung nach gestern zur Reha hinaufgekommen sein konnte. Kaum schaute sie den Sack an, brach sie in Tränen aus, und zwar deswegen: „Ich hab’ mir noch gedacht, wegen der Stunde Verspätung wird der Chef ja nicht gleich sterben. Aber dann ...“
„Ist er doch gestorben.“
„Ja.“
Ich gab ihr eine kurze Minute Zeit, damit sie sich wieder fangen konnte, dann interessierte mich Folgendes: „Was meinen Sie denn mit Verspätung?“
„Es war gestern gegen 19 Uhr, ich wollte gerade zusperren und die Jause für den Chef herrichten, die wir ihm jeden Abend hinauf zum Parkplatz bringen mussten, da ruft einer an und bestellt eine Wurstplatte für dreißig Personen, und zwar pronto oder gar nicht!“
„Das hieß was?“
„Umsatz! Ist ja keiner mehr da, der heute noch Wurst isst und sich auch dazu stehen traut! Früher haben wir drei Semmeln verkauft, heute eine!“
„In der Stunde?“
„Am Tag! Und dann bestellt einer eine Wurstaufschnittplatte gleich für dreißig Leute, da überlegt man als Angestellte nicht lange, da lässt man auch mal die Überstunden Überstunden sein und fängt einfach an zu schneiden für den Chef, pro Person dreißig Deka, das waren dann insgesamt ...
„Na?“
„Da kommt jedenfalls was zusammen! Polnische, Krakauer, Extra-, Paprika- und Salamiwurst, alles hauchdünn. Und nicht vielleicht alles nur auf einen Haufen geworfen, sondern eine richtige Aufschnittplatte, das heißt: Verteilen der Wurst auf der Platte, die Wurst schön anrichten. Zum Schluss noch die Garnitur drauf – Paprika, Gurkerl, Pfefferoni, kleine Zwutschkitomaten, Zwieberl. Dann Senf, Ketchup, Mayonnaise.“
Wenn sie mir jetzt noch sagen konnte, wer den Aufschnitt abgeholt hatte, dann wären wir wirklich einen großen Schritt weiter gewesen. Aber so gerne sie auch redete, jetzt enttäuschte sie mich:
„Niemand! Ich hab’ eine Stunde geschnitten, bis mir fast die Hand abgefallen ist, und dann stehe ich da mit der Aufschnittplatte wie bestellt und nicht abgeholt.“
Es hätte Rosi auffallen müssen, dass die Bestellung so kurz vor der Sperrstunde eine Falle war. Sie war ja hier mittlerweile umgeben von Fischlokalen und Kleine-Häppchen-Läden, es gab schlicht keine Zielgruppe mehr für die abendliche Wurstjause, außer vielleicht polnische Schwarzarbeiter, aber die kauften die Wurst eingeschweißt im Supermarkt. Der unbedingte Glaube aber an das Produkt ihres Chefs hatte sie blind werden lassen, und so richtete sie einfach knappe zehn Kilo Aufschnitt her, ohne vorher groß darüber nachzudenken! Ich sagte:
„Können Sie mir vielleicht etwas über den Anrufer sagen?“
„Was denn? Wie er ausgeschaut hat?“
Ich lachte schwach, dann präzisierte ich: „Glockenhell die Stimme oder mehr der tiefe Brummer? Türkisches Deutsch vielleicht?“
„Was ist denn türkisches Deutsch, bitte?“
„,Ey! Alter! Machst ma zehn Kilo Aufschnittwurst, oder mach ich dich Messer!‘ Hat er so geredet?“
„Keine Ahnung! Die Bestellung hat ja der Manuel aufgenommen.“
„Wer ist der Manuel?“
„Der Lehrbub, der dem Chef immer die Wurst hinauf hat bringen müssen.“
Ich fragte: „Jung, braungebrannt, schlank, gutaussehend?“
„Na ja. Wie man’s nimmt. Der Chef hat ihn erst vor ein paar Wochen eingestellt, und kaum ist der Chef tot, ist er auch schon wieder weg! Aber qualifiziert hat er sich beim Chef sowieso nicht durch seinen Arbeitseifer, qualifiziert hat sich der beim Chef durch was ganz anderes. Dabei hätte auch ich ihm die Wurst hinaufbringen können, schließlich hab’ ich ein Auto und der Manuel nur ein Moped. Aber die Wurstsemmel war in der ganzen Sache sowieso nur primär, wichtiger war da was anderes, und zwar was ganz was anderes.“
Am wichtigsten wäre vielleicht mal ein Fremdwörterlexikon zum Geburtstag gewesen, aber sei’s drum.
Ich musste plötzlich an den Schlaks denken, der gestern oben am Parkplatz bei Mannis Tankstelle Zettel der Volksfront Türkenbelagerung – nein danke! für Rott verteilte und der verdammt nach Wurst roch. Und Manuel hieß er obendrein oder wahlweise mit a hinten dran Manuela. Ich dachte: Gut möglich also, dass Rott ihn im Bräunen solange du willst um 8,88 aufgelesen hatte, sich dort von ihm anstechen ließ und ihm dann eine Lehre als Fleischhauer anbot, damit er immer in seiner Nähe sein
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