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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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löste die Schnalle und streifte ihm die Kutte ab.
    »Aber   … ich bin viel zu alt für Euch«, sagte Dauras.
    Sie musterte ihn von oben bis unten. Dauras dachte an die Narben, von denen sein Körper gezeichnet war.
    Aruda lachte nur, und er wusste, was sie sah: einen Körper, an dem jeder Muskel klar ausgeprägt war, wie gemeißelt. Dauras wusste selbst, dass man kaum einen Jüngling finden würde, der so athletisch gebaut war wie er   – und keinen, der seinen Körper so beherrschte wie er.
    Er legte die Hände um ihre Taille und führte sie zu dem breiten Bett. Sie ließ sich bereitwillig auf die dicken Decken sinken. Dauras nahm wahr, wie die Hitze vom Feuer her ausstrahlte und ihre bloße Haut traf, sich mit der Wärme ihres Leibes vermischte und mit den Formen ihres Körpers, die er in seinem Geist fühlte.
    Aruda war gewiss das schönste Mädchen, dem er in den letzten Jahren begegnet war. Während sein Geist noch zögerte, fühlte sein Körper längst diesen Drang, wollte diese Frau haben   – und seine Bedenken lösten sich auf.
    Er beugte sich vor und strich ihr über den Bauch. Er spürte ihre zarte Haut unter seinen Fingern, die ihm mit einem Mal so hart und rau vorkamen wie zwei grobe Steine. Er fühlte den Widerstand, als seine Schwielen über ihre Samthaut fuhren. Seit Jahrzehnten schwang er das Schwert, und auch den unbewaffneten Kampf hatte er im Tempel geübt. Er merkte sofort, dass seine Hände nicht dafür geschaffen waren, diese Haut zu streicheln, diesen zarten Leib.
    Er packte fester zu. Er strich nicht mehr mit den Handflächen, er drückte, er massierte. Aruda schloss die Augen und stöhnte leise. Tat er ihr weh?
    Dauras verwarf den Gedanken und konzentrierte sich auf das Sein. Er spürte tief in sie hinein und ließ seine Sinne seine Hände leiten. Er beugte sich über sie, legte die Hände auf ihre Brüste und spürte, wie die Knospen fest wurden. Seine Hände wanderten zu ihren Beinen, er setzte ein Knie auf das Bett und schob Aruda ein Stück weiter nach oben.
    Er fühlte, wie sie sich ihm allmählich öffnete. Mit dem Knie drückte er ihre Beine auseinander. Er atmete schneller.
    Sie nahm seinen Atem auf ihren Wangen wahr und schlug die Augen auf.
    »Nein!«
    Dauras spürte, dass etwas umschlug, noch bevor der Laut ihre Lippen verließ. Es traf ihn wie ein Schwall eisigen Wassers. Mit einer heftigen Bewegung schob Aruda seinen Kopf weg. Dauras war wie erstarrt auf dem Bett, auf allen vieren, während sie sich langsam unter ihm herauswand.
    Er setzte sich auf die Bettkante.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Da   … da läuft eine Ader durch dein Auge. Mitten hindurch.«
    Dauras sagte nichts. Er stand auf und ging dorthin, wo sein Schwert und seine Robe lagen, und kleidete sich wieder an. Aruda saß noch einen Augenblick da. Dauras fühlte, wie verlegen sie war, und versuchte, den Kopf nicht in ihre Richtung zu wenden.
    »Es tut mir leid«, sagte sie noch einmal. »Es ist meine Schuld. Aber ich kann nicht   …«
    »Ist schon gut.« Dauras rang sich ein Lächeln ab. »Das passiert mir nicht zum ersten Mal.«

2 6 Jahre zuvor
    Es war nicht ungewöhnlich, dass die jungen Mönche sich bei Nacht aus dem Tempel schlichen. Zum Fest des Lebens, der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr, war der Reiz besonders groß. Der Tempel des Schwertes folgte den südländischen Traditionen und feierte dieses Fest nicht, und so wurden die Unterschiede zwischen den Kampfkulten und dem einheimischen Glauben an Bponur, einem Gott der Sonne und der Fruchtbarkeit, nie so deutlich wie an diesem Tag.
    Sir-en-Kreigen, die Stadt im Schatten des fremden Tempels, war nicht der Ort im Reich, wo das Fest des Lebens mit den größten Ausschweifungen gefeiert wurde. Dennoch blieb der Tag eine Versuchung für die Mönche, ein Mysterium, das viele Novizen hinter den Mauern hervorlockte.
    Dauras wurde in diesem Jahr fünfzehn, und er war besonders geschickt darin, seine eigenen Wege zu gehen. Als es im Schlafsaal der jungen Männer ganz dunkel geworden war, schlich er sich davon.
    Er bewegte sich mit vollendeter Sicherheit in der Finsternis. Wenn einer der Lehrer noch wach war, konnte Dauras ihn erspüren und ihm mühelos aus dem Weg gehen. Er nahm sogar wahr, welcher seiner Mitbrüder schlief und wer noch wach war. Dauras’ Herz pochte, doch er badete zugleich in einem Gefühl der Überlegenheit.
    Er sprang aus dem Stand durch eine der Fensteröffnungen in den Hof. Mit weiten Sätzen rannte er auf die Mauer zu,

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