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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Doch die ging nicht auf. Meris drehte den Haken im Schloss und ruckelte   – und mit einem Mal gab die Tür nach, und sie betrat den Raum. Hastig drückte sie die Tür wieder hinter sich zu. Sie atmete auf.
    Sie stand im Dunkeln. Natürlich hatte von Reinenbach in seinem leeren Büro keine Lampe brennen lassen, und Meris hatte auf ihrem Weg dorthin keine entzündet. Sie öffnete ihre Botentasche, holte eine Sturmlaterne heraus und machte Licht. Dann ließ sie den Blick schweifen.
    In den hohen Regalen standen Akten und Berichte zu allen Belangen des Reiches. Womöglich hatte von Reinenbach dort verräterische Hinweise hinterlassen. Er war ein gründlicher Mann. Aber es waren zu viele Papiere, und ein guter Teil davon war verschlüsselt. Unmöglich, dass sie sich darin schnell genug zurechtfand. Sie musste nach dem Offensichtlichen suchen, und das an den offensichtlichsten Stellen.
    Meris wandte sich zu dem riesigen Schreibtisch. Sie zog alle Schubladen heraus, öffnete sämtliche Fächer und leerte sie. Manche waren verschlossen, und sie musste wieder ihr Werkzeug zücken. Sie drehte die Schubladen um und überprüfte die Unterseiten   – aber das war zu offensichtlich.
    Sie leuchtete in die leeren Fächer hinein und untersuchte die Oberseiten. Dann tastete sie, klopfte gegen das Holz und fand Hohlräume   – mehr als einen! Sie hatte gewusst, dass es in diesem Schreibtisch geheime Fächer gab!
    Meris öffnete eines, das mit einem einfachen Holzriegel gesichert war. Sie holte Papiere, Griffel, kleine Fläschchen und einen Dolch hervor. Sie roch an den Fläschchen und kam zu dem Schluss, dass es sich um Mittel handelte, mit denen man geheime Botschaften schreiben und wieder sichtbar machen konnte. Nicht das, was sie suchte.
    Sie entdeckte durch Klopfen ein weiteres Geheimfach, aber sie konnte den Öffnungsmechanismus nicht finden. Nach kurzer Zeit gab sie es auf und stieß mit ihrem Dolch durch das dünne Holz und schnitt ein Stück heraus. Ein Haufen Papier fiel ihr raschelnd entgegen. Da ertönte ein Geräusch von der Tür.
    Meris duckte sich und spähte über den Schreibtisch. Sie sah den Hofrat eintreten. Er trug ein Licht und leuchtete in den Raum. Dann hängte er die Lampe an einen Haken an der Wand. »Meris«, sagte er. »Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
    Ihre Finger tasteten durch das geborstene Holz in dieWinkel des Fachs. Sie spürte eine kleine Dose aus Keramik. Sie stand auf und stellte das Gefäß auf die Tischplatte. Der Verschluss war mit Wachs abgedichtet, das Siegel war gebrochen und notdürftig wieder in die Fugen gedrückt. Meris hob den Deckel ab. Eine ölige Flüssigkeit schwappte träge darin.
    »Ich glaube ja«, sagte sie und hob das Gefäß hoch. »Ich habe mir überlegt, ob Ihr vielleicht einen Schluck davon nehmen wollt?«
    »Warum sollte ich?« Von Reinenbach setzte sich auf einen Lehnstuhl neben der Tür.
    »Weil es eine ehrenvolle Weise wäre, sich allem zu entziehen, bevor es wirklich unangenehm wird.«
    »Ich entziehe mich niemals meiner Verantwortung, Meris«, erwiderte von Reinenbach. »Und was für einen Grund hätte ich, das jetzt zu tun? Du bist in mein Büro eingedrungen und hast meine Sachen durchwühlt. Was meinst du, für wen das wohl unangenehm enden wird?«
    »Das solltet Ihr die Freunde des alten Kaisers fragen«, sagte Meris. »Wenn sie erfahren, dass Ihr ihn ermordet habt.«
    Von Reinenbach schnaubte verächtlich. »Fängst du jetzt auch noch an mit solchen Verdächtigungen? Aber du bist kein tumber Mönch aus dem Süden. Du kennst mich. Du solltest dir überlegen, auf welcher Seite du stehen willst.«
    »Ich stehe auf der Seite des Reiches, zu jeder Zeit«, sagte Meris. »Ich weiß, dass der Kaiser vergiftet wurde   – und das Gift dazu habe ich gerade in Eurem Schreibtisch gefunden.«
    »Woher willst du wissen   …« Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Hofrats. »Ich verstehe. Du warst schon immer eine meiner besten Agentinnen. Ich hätte damit rechnen müssen. Aber es spielt keine Rolle. So ein Döschen beweist gar nichts.«
    »Für sich allein vielleicht nicht. Aber ich bin dem Weg gefolgt, den es genommen hat. Bis hierher.«
    Diese mühsame Kleinarbeit hatte sie fast zehn Tage gekostet. Doch dabei bewegte sie sich auf einem Gebiet, das ihr vertraut war. Sie hatte gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie eine lückenlose Spur beisammenhatte.
    »Ich wusste«, sagte sie, »dass Ihr kein Mann der Tat seid. Ihr plant und Ihr organisiert,

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