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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Männern des Kanzlers in Haft nehmen.«
    Der Hofrat blickte auf das Gefäß. »Es tötet nicht schnell«, sagte er.
    »Nein«, stimmte Meris zu. »Aber es geht schneller als der andere Weg. Es wäre eine Bestrafung, die der Tat entspricht. Die Entscheidung liegt bei Euch.«

12.12.962 – HOROME, IM PALAST
    D er Hofrat ist tot«, verkündete Dauras.
    Er war bei der Hinrichtung gewesen. Aruda hatte sich in der Angelegenheit zurückgehalten und den Prozess ganz in die Hände des Kanzlers und des Gerichtshofs gelegt. Die Anklage hatte auf Hochverrat gelautet. Sie war hinter verschlossenen Türen verhandelt worden, und das schnell. Niemand hatte ein Interesse daran, nach außen dringen zu lassen, dass der Kaiser ermordet worden war, und niemand wollte den Getreuen des Hofrats die Zeit geben, sich zu sammeln und womöglich die Rettung ihres Herrn zu planen.
    Aruda reagierte nicht auf Dauras’ Worte. Der sprach weiter: »Er hat bezahlt für seine Tat. Fühlt Ihr Euch nun sicherer?«
    Seit ihrer Begegnung vor fast einem Monat war er nicht mehr in Arudas privaten Gemächern gewesen. Heute saß die Kaiserin an einem Tisch in dem kleinen Festsaal, in dem ihr Vater seine Gelage mit den engsten Vertrauten gehalten hatte. Sie hatte den Raum umgestaltet, den großen Tisch entfernen, die Wände streichen und mit Goldbrokat verzieren lassen. Inzwischen war der Saal hell und so gut wie leer.
    Dauras bemerkte eine Blüte in Arudas Haar, die sich für die Jahreszeit ungewöhnlich lebendig anfühlte. Die Kaiserin trug fast jeden Tag einen solchen Schmuck. Er wusste nicht, wie sie es immer wieder schaffte, diese Dinge im winterlichen Dachgarten zu finden.
    »Aruda?«, fragte er.
    Sie winkte ab. »Reden wir nicht darüber. Ein Mensch ist gestorben. Ich will das nicht feiern   – ich will es vergessen.«
    »Er hat Euren Vater ermordet.«
    Aruda verzog das Gesicht. »Du hattest dasselbe geplant, weißt du noch? Und ich hatte mein Leben lang Angst, dass mein Vater mich ermorden lässt. Dass von Reinenbach nun deswegen bestraft wurde   … Es liegt keine Befriedigung darin.«
    »Ihr habt Euch sehr dafür eingesetzt, dass die Tat aufgeklärt wird«, stellte Dauras fest.
    »Das ist richtig«, räumte Aruda ein. »Wie könnte ich einen Mann bei Hofe dulden, der einen Kaiser ermordet, wenn er ihm nicht mehr passt?« Sie schüttelte sich. »Dennoch, ich will seinen Tod nicht feiern.«
    »Trotzdem könnt Ihr Euch nun etwas sicherer fühlen«, sagte Dauras. »Ihr habt einen Feind weniger und könnt sein Amt an einen Mann Eures Vertrauens geben.«
    »Feind? Ich weiß nicht. Von Reinenbach hat mich immerhin auf den Thron gehoben. Er hatte seine eigenen Gründe dafür, gewiss   – aber meine wahren Feinde, diejenigen, die auf unserer Reise zur Hauptstadt meinen Tod wollten, die lauern noch immer dort draußen.«
    Dauras ballte die Hand zur Faust. Er hatte gehofft, dass Aruda sich in Zukunft etwas weniger in ihren Gemächern verkriechen würde.
    »Ihr könnt Meris wieder einbestellen«, sagte er. »Sie hat Eure Feinde schon einmal gefunden. Sie kann auch diese Feinde aufspüren.«
    »Das kann ich tun«, sagte Aruda. »Und du kannst heute Abend auch etwas beitragen, um Feinde zu Freunden zu machen.«
    »Ihr meint diese Einladung beim Kanzler?« Dauras legte beide Hände an den Schwertgriff. »Ich dachte, Ihr wolltet den Tod Eures Hofrats nicht feiern? Denn genau das hat der Kanzler heute Abend vor.«
    »Was immer der Anlass ist«, gab Aruda zurück. »Er hatdich persönlich eingeladen. Es wäre nicht klug, die Hand auszuschlagen, wenn er sie dir schon zur Versöhnung reicht.«
    Die Gesellschaft fand im privaten Stadthaus des Kanzlers statt, einem zweieinhalbstöckigen und großzügig ausgestatteten Gebäude an der Hauptstraße, nicht weit von der Fährverbindung zur Weststadt entfernt. Hinter der düsteren, säulengestützten Fassade hatte der Kanzler die Säle festlich schmücken lassen mit Kronleuchtern aus funkelndem Kristall und gleißenden Lampen an den Wänden. Das ganze Erdgeschoss war als Tanzsaal hergerichtet, und im ersten Stock stand ein gediegener Salon als Speisesaal und Herrenzimmer zur Verfügung, mit holzgetäfelten Wänden, einer großen Tafel, die nach dem Abendessen zur Seite geschoben wurde, und mit vielen kleinen Tischen, auf denen Räucherwerk, Gläser und Getränke bereitstanden.
    Es war eine inoffizielle Gesellschaft, weit unter der Würde einer Herrscherin. Dennoch waren viele bedeutende Persönlichkeiten da, alle

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