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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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unserem Überschuss?
    Ich will meinen Besitz also lieber in die Nachbarschaft investieren, und in den Frieden. Kriege kommen und gehen, aber die meisten der Familien werden anschließend immer noch da sein, und sie werden weiter zusammenleben müssen, selbst wenn sie zwischendurch auf verschiedenen Seiten gekämpft haben. Für dieses Zusammenleben möchte ich heute einen Grundstein legen.«

18.3.963 – HOROME, UNTERSTADT
    D auras war allein in der kleinen Wohnung unter dem Dach. Kaum hatte Meris das Haus verlassen, da riss Dauras die Bretter und Tücher von den Fenstern und ließ die stickige Ofenluft hinaus. Es war wärmer geworden in den letzten Tagen, auch wenn es die ganze Zeit regnete. Dauras hoffte, dass der Regen die Luft ebenso reinigte wie die Gossen.
    In den vergangenen Dekaden hatte eine Krankheit die Stadt heimgesucht. Vor allem die Ärmsten hatte es dahingerafft, zu Tausenden   – diejenigen, die schon vom Hunger und von den Entbehrungen des Winters geschwächt gewesen waren. Es ging das Gerücht, dass der Kanzler verdorbenes Korn ausgegeben hatte, doch diejenigen, die es betraf, waren inzwischen zu lethargisch, um deswegen aufzubegehren.
    Es war still geworden in der Hauptstadt. Selbst Dauras konnte die Veränderung spüren, obwohl er Horome nicht so gut kannte. Horome hatte einen Schlag erlitten, und selbst der herannahende Frühling tat sich schwer, die Bewohner wieder aus ihrem Dämmer zu reißen.
    Dauras machte Klimmzüge an den Deckenbalken, er übte am Boden und am Bettgestell. Seine Kraft und seine Ausdauer waren nicht mehr das Problem. Es war das Sehen, das sich kaum gebessert hatte im letzten Monat. Er brannte darauf, nach draußen zu gehen und neue Eindrücke aufzunehmen oder zumindest weiterhin den Kampf zu üben. Aber Meris hatte ihm eingeschärft, das Haus nicht allein zu verlassen. Und widerstrebend musste er einräumen, dass sie recht hatte.
    Er ging im Zimmer auf und ab, nackt bis auf einen Lendenschurz und schweißüberströmt. Da hörte er Stimmen von der Straße her.
    »Hier ist es«, sagte jemand. »Bist du sicher, dass sie fort ist? Die Fenster sind offen.«
    »Klar«, antwortete ein anderer. »Bin ihr ein gutes Stück gefolgt. Die kommt so schnell nicht wieder. Höchstens der Krüppel ist noch da.«
    Die Männer sprachen leise. Doch Dauras verstand sie trotzdem. Wenn er die Augen schloss, war sein Gehör vielleicht sogar schärfer denn je. Das war eine Stärke, von der er hoffte, dass sie eines Tages sein eingeschränktes Sehvermögen ausgleichen konnte.
    »Klettern wir durchs Fenster?«, fragte einer der Männer.
    »Neee«, sagte der zweite. »Wir bleiben bei unserem Plan. Zu auffällig, und wer weiß, ob wir da hochkommen.«
    »Mit Schlössern kenn’ ich mich aus«, meinte ein dritter. »Aber zum Klettern nehm’ ich lieber die Stiege.«
    Die Männer verstummten. Dauras blieb vom Fenster weg und verharrte in der Mitte des Raumes. Er spitzte die Ohren und hörte Schritte auf der Treppe, die langsam näher kamen.
    Vor der Tür zu der Wohnung hielten sie inne.
    »Was ist das denn?«, murmelte einer.
    »Pssst   – was denn?«, flüsterte ein anderer.
    »Na, das Schloss. Passt nicht in die Gegend. Da will wohl jemand seine Ruhe haben.«
    Dauras biss sich auf die Lippen. Er verschränkte die Finger und dehnte sie. Er lockerte seine Gliedmaßen. Er hörte ein Kratzen im Türschloss.
    »Gibt’s Probleme?«, wisperte einer der Eindringlinge.
    »Nee, geht schon«, sagte sein Kumpan. »Das Schloss muss erst noch gebaut werden, dass ich nicht aufkriege.«
    »Heißt nur, dass es sich lohnt. Wenn das Miststück so ’n Riegel einbauen lässt. Ich sag ja, die hat immer Silber, wenn sie in die Stadt kommt. Die müssen einen fetten Schatz da drin horten.«
    Dauras sah sich um. Er versuchte, sich das Zimmer ins Gedächtnis zu rufen. Er war oft genug hier herumgegangen, hatte jeden Winkel untersucht und jeden Gegenstand berührt. Meris hatte ihren Degen und ein Kurzschwert mitgenommen, und soweit er wusste, waren das ihre einzigen Waffen. Für ihn blieben nur ein paar Küchenmesser   – oder die Holzschwerter, mit denen sie seit Monaten übten.
    Auf bloßen Füßen tappte er zu der Nische neben der Tür, wo die Holzwaffen lehnten. Keine Diele knarrte unter seinen geschmeidigen Schritten. Er überlegte kurz, ob er beide Schwerter nehmen sollte, entschied sich dann aber doch für eine Waffe.
    Er trat zurück, damit er mehr Platz für seine Bewegungen hatte. Er prüfte die Kante seiner Waffe

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