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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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den Tod zu schenken. Die fünf Jungfrauen, die er als Opfer für eine grandiose Beschwörung gesammelt hatte   – zumeist neu eingetroffene Zimmermädchen und Zofen, die er in ihren Schlafräumen im Palast betäubt und schließlich hinab inseine Unterwelt gebracht hatte   – waren inzwischen ohnehin fast verhungert.
    Runnik bedauerte den sinnlosen Tod. Viele der Studien, die er abbrechen musste, waren vielversprechend, und er hatte eine Menge Arbeit hineingesteckt. Wer weiß, ob er sie alle wieder aufnehmen konnte?
    Er wusch sich an einem klaren Becken mit Flusswasser, dann machte er sich auf den Weg zu dem Treffpunkt. Er schleifte den gewaltigen Koffer hinter sich her und kam nur langsam voran. Nach wenigen Schritten stand ihm der Schweiß auf der Stirn.
    Seine Magd wartete im Dunkeln, vor der gähnenden Öffnung eines großen Tunnels mit gemauerter Gewölbedecke. Ein vielstimmiges Konzert von Tropfen und Traufen hallte aus der Finsternis. Der Gang führte unter dem Fluss hindurch, aber die Erbauer hatten mehrere Brunnen so tief in den Boden getrieben, dass sie bis unter eine Trennschicht reichten, die das Grundwasser abschloss. Darunter verliefen Wasseradern mit eigenen Abflüssen, durch die eindringendes Wasser abgeleitet wurde, sodass der Stollen nicht überflutet wurde.
    »Da bist du ja, mein Püppchen.« Erleichtert stellte Runnik den Koffer ab. Er schnallte der Magd die Ledertasche mit der Kleidung vor die Brust und wies sie an, den Schrankkoffer auf den Rücken zu nehmen. Sie ging in die Knie unter der Last und stapfte schwankend und gebeugt hinter ihrem Herrn her.
    »Sei vorsichtig, Strohköpfchen«, ermahnte Runnik sie. »Ich habe Flaschen und alchimistische Ingredienzen und zerbrechliche thaumaturgische Gerätschaften darin, die ein Vermögen wert sind.«
    »Ja   … Herr«, stieß die Magd hervor. Stroh hing ihr ins Gesicht und klebte an ihrer Kleidung, und ein Halm stand sogar aus ihrem Ohr heraus.
    Runnik blickte sich ein letztes Mal um, dann zuckte er die Achseln.
    »Komm«, sagte er zu der Magd. »Lass uns auf der anderen Seite nach einem schnellen Wagen suchen, der uns aus der Stadt bringt. Die Welt ist voll von neuen Gelegenheiten und wartet auf einen fähigen Mann, der sie ergreift.«
    Trockenes Laub raschelte unter den Hufen der Pferde, ein kalter Wind blies Meris beständig ins Gesicht und brachte feine Tropfen mit sich. Der Herbst war mit Macht hereingebrochen, und auch wenn das Nieseln sich nie so recht entscheiden konnte, ob es ein richtiger Regen werden wollte, saßen die Reiter ganz durchnässt im Sattel.
    Sie durchstreiften die Gegend zwischen Ribbalin und Reppelen. Meris hatte die Bauern in den Dörfern befragt und die Agenten des Kaisers, sofern welche da waren. Sie hatte Gerüchte gestreut und ihren Köder ausgelegt. Doch bisher hatten sie keine Spur von der Prinzessin oder ihrem Entführer entdeckt.
    Griesgrämig ritt von Ledingen neben ihr her und hatte nicht einmal mehr Lust zu streiten. Da hob er unvermittelt die Hand und brachte den Zug zum Stehen. »Hörst du das, Botin?«
    Meris legte den hochgeschlagenen Mantelkragen um. »Ich weiß nicht   …«
    Dann nahm sie es ebenfalls war: das Klirren von Metall. Kurze, abgehackte Rufe.
    Von Ledingen wies schräg nach vorn. »Hinter diesem Hügel da! Ein Kampf, auf dem Land des Kaisers!«
    Er preschte los. Meris folgte ihm, aber sie bedeutete dem Rest ihres Trupps abzuwarten. Auf der Kuppe der Anhöhe, im Schutz des hohen Grases, hielt sie inne. Im Tal vor ihnen,zwischen unkrautüberwucherten, furchigen Ackerflächen griff eine große Schar von Reitern auf struppigen Ponys eine kleinere Gruppe von Fußsoldaten an.
    Die Ponyreiter sahen ausgemergelt aus. Sie trugen keine Rüstung, sondern eine Tunika aus ungefärbtem Leinen. Die ärmellosen Gewänder muteten fast unwirklich an, so wenig passten sie zu dem Herbstwetter oder zu der Wildheit, mit der die Reiter kämpften. Ihre Gegner waren vierschrötige wilde Gestalten in Fellen. Mit ihren breiten Gesichtern, der gedrungenen Statur und den haarigen Armen wirkten sie kaum noch menschlich. An ihrer Seite kämpfte ein Trupp von abenteuerlich ausgerüsteten Söldnern, die dicht beieinanderblieben.
    Mitten in dem Getümmel stand eine Sänfte. Die Griffe und Rahmen daran glänzten golden, leichte weiße Vorhänge bauschten sich aus den zertrümmerten Scheiben. Die Träger lagen tot neben den Stangen, mit klaffenden Wunden oder durchbohrt von Pfeilen. Es waren dieselben bulligen und mit Fellen

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