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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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und warf ihn ebenfalls über Bord. Währenddessen kam der große Boret wieder an die Oberfläche. Er ruderte mit den Armen, schnappte nach Luft und stieß abgehackte Hilferufe hervor. Dauras nahm ein Ruder und schlug es dem Fischer auf den Kopf.
    Es wurde still. Das wild schaukelnde Boot beruhigte sich. Aruda saß immer noch mit verschränkten Armen da und regte sich nicht. Dauras bemerkte, wie sie zitterte.
    Er löste das Kleiderbündel von seinem Stecken. »Hier«, sagte er. »Ihr könnt mein gutes Wams anziehen. Es ist allerdings etwas Schlamm drangekommen, und an ein paar Stellen ist es auch nass.«
    Wortlos streifte sich die Prinzessin das Gewand über. Erst dann blickte sie wieder auf. »Du hättest sie nicht töten müssen.«
    »Wären sie entkommen, hätten sie irgendwem erzählt, dass sie einen Mann und ein Mädchen über den Fluss gebracht haben. Wenn sie einfach verschwinden, wird vielleicht jemand Fragen stellen. Aber wenigstens kriegt er die Antworten nicht gleich frei Haus geliefert.«
    Dauras riss sich die schmierige Gugel vom Kopf und warf sie in den Fluss. Dann strich er sich durch die Haare, als müsste er etwas abstreifen. »Auf der anderen Seite wollte ich uns ohnehin eine bessere Verkleidung besorgen.«
    Das Boot trudelte langsam. Sie trieben flussab. Dauras nahm die Ruder auf und glich es wieder aus. Einen Augenblick lang geriet er in Panik, denn beide Ufer lagen Hunderte Schritt entfernt und außer Reichweite seiner Sinne. Wie sollte er den richtigen Kurs halten?
    Dann aber fiel ihm ein, dass er sich einfach an der Strömung orientierten konnte, und zuversichtlich legte er sich in die Riemen.
    »Ich war nachlässig«, sagte er. »Ich hätte bedenken müssen, dass selbst Dummköpfe zu Niedertracht fähig sind und aufmerksame Sinne haben können. Ich muss mich entschuldigen, Prinzessin.«
    »Nein«, widersprach Aruda. »Es war mein Fehler. Ich bin die von uns, die sehen kann. Also hätte ich daran denken müssen, dass mein Körper sich unter dem nassen Stoff abzeichnet. Wie hättest du das wissen sollen?«
    »Es war mein Plan«, sagte Dauras. »Und meine Verantwortung.«
    »Ich bin für mich selbst verantwortlich«, erwiderte die Prinzessin. »Ich hätte auch nicht reden sollen. Wieder einmal sind Menschen meinetwegen gestorben.«
    »Macht Euch nicht lächerlich.« Dauras schnaubte. »Ihr habt nie gelernt, für Euch selbst zu sorgen. Ihr seid eine Prinzessin.«
    »Bin ich das?« Aruda schaute auf den dunklen Fluss hinaus.
    Dauras hielt die Ruder still. » Diese Frage könnt wirklich nur Ihr selbst beantworten.«
    »So einfach ist das nicht«, sagte Aruda. »Manchmal frage ich mich selbst: Wer bin ich eigentlich? Ich könnte alles sein. Ich war alles. Ich habe mich als Küchenjunge verkleidet und mit den Jungen und Mädchen vom Personal gespielt. Ich habe Ritter gespielt und bin allein aus dem Palast hinaus und in den Wald geritten. Ich habe mich in der Stadt unter das Volk gemischt und mit den Marktfrauen geredet wie die Tochter von, nun, Händlern   …«
    Aber bestimmt nicht, ohne aufzufallen, Prinzesschen, dachte Dauras. »Und was haben Eure Erzieher dazu gesagt?«
    »Ich hatte eine Amme, bis ich acht war«, erzählte Aruda.Sie wandte den Blick nicht vom Wasser ab. »Meine Mutter hatte sie noch für mich ausgesucht, bevor sie   …
    Ich erinnere mich an ein freundliches Gesicht, nachdem die Amme gestorben war. Ein Ritter, glaube ich. ›So ganz allein‹, hat er gesagt, und dann stellte er mir ein älteres Mädchen vor, eine Zofe. Sie war nett. Sie starb, bevor ich sie wirklich kennenlernen konnte. Und den Ritter habe ich niemals wiedergesehen.
    Dann war da diese Hofdame. Sie redete wie von der Ferne zu mir, auch wenn sie vor mir stand. Eine alte Dame. Aber sie meinte, ich müsste eine Erziehung bekommen, und sie brachte mich zu diesem Lehrer. Der war nicht nett. Einmal hat er mich geschlagen, und ich war wütend und sprach mit meinem Vater. Ich weiß nicht, warum er mich ausgerechnet da beachtet hat.
    Er bestand darauf, dass ich zusehe, wie er selbst den Mann tötet. Es war im Herbst, Blätter fielen in den Innenhof. Der Lehrer war nackt an einen Pfahl gebunden, und der Kaiser selbst führte die Peitsche!
    ›So ergeht es denen, die die Hand gegen einen Callindrin erheben.‹ Das sagte er, als er begann. Dann machte er immer weiter, bis nur noch ein blutiges Stück Fleisch an dem Pfahl hing. Ich habe dabei das Gesicht meines Vaters gesehen. Er sah aus   … so stelle ich mir die Heiligen

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