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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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Meris zog einen Ponyreiter heraus, der mit dem Oberkörper in einem anderen Fenster der Sänfte hing. Es war der Krieger, der vorhin im Kampf gegen den Halbmenschen sein Reittier eingebüßt hatte und der mit dem Dolch in der Hand auf die Sänfte zugestürmt war. Jetzt war er tot.
    Meris ließ die Leiche zu Boden fallen und spähte hinter die Vorhänge, die inzwischen schlaff und vom Regen durchweicht herabhingen.
    Eine Frau saß auf einer Bank, in einem Berg von weichen Kissen. Das Erste, was Meris auffiel, war das weiße Haar   – langes, feines Silberhaar, das der Reisenden aus der Kapuze ihrer bodenlangen himmelblauen Kutte üppig bis auf die Brust fiel. Das Gesicht, das davon umrahmt wurde, wirkte überraschend jung, rundlich und makellos. Rote Augen blitzten unter gezupften hellen Brauen, der kleine Mund war ebenmäßig geformt und zeigte ein liebliches Lächeln.
    »Botin   – darf ich dir die Dame Sortor vorstellen«, sagte von Ledingen. »Sortor, dies ist die kaiserliche Botin, die unseren Trupp begleitet.«
    »Ich bin hocherfreut.« Die weißhaarige Dame strahlte Meris an. »Wären Ihre Soldaten nicht zur Stelle gewesen, um uns zu retten   … Diese billigen Söldner, die ich im Norden angeheuert habe, hätten es kaum geschafft, mich vor den wahnsinnigen Schlächtern des Mahdi zu bewahren.«
    Sie sprach Meris an, wie es für eine Fürstin gegenüber einem Ritter angemessen wäre. Doch Meris’ Aufmerksamkeit war auf das Gewand gerichtet, das die Fremde trug   – auf die himmelblaue Kutte. Sie konnte nicht bestimmen, auswelchem Material das Kleidungsstück gemacht war. Auf den ersten Blick wirkt es so weich und glatt wie Seide, aber der Faltenwurf wollte dazu nicht passen. Als Sortor den Kopf zur Seite wandte, hatte die Bewegung etwas Träges an sich, so als wäre die Kapuze aus schwerem Leder.
    »Die Dame Sortor hat mir gerade berichtet«, erklärte von Ledingen, »dass ihre Familie ein Landgut weit im Norden besaß, noch nördlich von Königswald. Die Krieger des Mahdi haben es niedergebrannt, und die Dame beschloss, mit allem, was sie retten konnte, in die Hauptstadt zu fliehen.«
    »Ihr habt eigentümliche Diener«, stellte Meris fest und dachte an die behaarten fellbekleideten Halbmenschen, die erschlagen neben den Griffen der Sänfte lagen.
    »In der Tat.« Sortor nickte beflissen. »Ein wilder Volksstamm aus dem Ephelgrat. Sie arbeiten schon lange für meine Familie. Sie sind kräftig und treu.« Verlegen zuckte sie mit den Schultern, als müsste sie sich entschuldigen für ihre Knechte.
    »Was ist mit Eurer Familie?«, fragte Meris.
    »Als die Männer des Mahdi kamen, floh ich mit jenen, die mich auf dieser Reise begleiten wollten. Was Sie hier sehen, ist alles, was übrig ist. Aber meine Familie war nicht mittellos!«
    Eine zarte Hand glitt unter der Robe hervor. Sie schob einige der Kissen beiseite, sodass die zu Boden fielen, und eine kleine Kiste kam zum Vorschein. Sortor klappte den Deckel auf, Gold schimmerte im trüben Licht des Herbsttages.
    »Bitte erlauben Sie, dass ich Sie für Ihre Hilfe entlohne.«
    Sie nahm eine Handvoll Goldmünzen aus der Truhe.
    Von Ledingen hob abwehrend die Hand. »Das ist nicht nötig. Wir sind keine Söldner.«
    »Sie hätten mein Gold aber weit mehr verdient als diese.« Sortor strahlte den Ritter an.
    »Nun«, sagte Meris. »Der Ritter von Ledingen ist ein Ehrenmann und spricht für sich selbst. Ich hingegen nehme gern einen Lohn für meine Dienste.«
    Sie streckte die Hand aus. Lächelnd ließ Sortor die Münzen hineinfallen.
    Von Ledingen funkelte Meris zornig an.
    »Seid Ihr von Stand?«, fragte Meris neugierig. »Sortor   – ist das Euer Name oder der Eurer Familie?«
    »So etwas bedeutet uns wenig, so hoch im Norden.« Sortor antwortete liebenswürdig. Sie wirkte nicht gekränkt. »Zu Zeiten des Alten Reiches war das Land noch gar nicht besiedelt, und später   … nun, es war immer so abgelegen, dass die Familien dort nie um eine Aufnahme in die Adelsrolle des Königs ersuchten.«
    »Man sieht doch, dass sie in ihrem Land zumindest den Stand eines Ritters hatte«, warf von Ledingen ein. Und an Sortor gewandt, fügte er hinzu: »Ihr müsst die grobe Neugier meiner Begleiterin entschuldigen.«
    »Das wird sie schon«, sagte Meris. »Immerhin durfte sie dafür die Unterstützung meiner Truppe mieten. Die sich nun wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe zuwenden wird, Fähnrich.«
    »Aber Botin!« Von Ledingen klang empört. »Wir können die Dame nicht

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