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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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hing es in der Halle meiner Familie. Als ich knapp zehn Jahre zählte, da nahm mein Vater es herunter. Er gab mir die Axt meiner Vorfahren zu halten und forderte mich auf, mich dieser Ahnen würdig zu erweisen. Doch ich hatte nur Augen für die Waffe, die mich sogleich in ihrenBann zog. Noch in derselben Nacht stahl ich sie und lief von zu Hause fort.
    Diese Waffe ist mein Schicksal, meine Teufelsaxt. Meine Seele liegt darin, und alle meine Taten seither waren von ihr bestimmt. Tatsächlich habe ich sie nicht ein einziges Mal wieder aus der Hand gelegt, seitdem ich sie in jener Nacht von der Wand stahl.
    Du siehst also, Mädchen: Ich reite geradewegs in den Untergang und in die Verdammnis. Aber das ist in Ordnung, denn so kann ich, bis mein Schicksal sich erfüllt, jeden einträglichen Auftrag annehmen, der sich für mich und meine Männer bietet.«
    Mit der freien Hand schob er die Münzen auseinander.
    »Wenn das so ist   …« Meris löste die Hände von ihrem Körper und beugte sich zu dem Ritter hin. Sie bedachte ihm mit einem Lächeln. »… dann können wir verhandeln. Wo das Gold auf dem Tisch herkommt, wartet noch größerer Lohn. Der Kaiser kann Euch gewiss mehr bieten als Eure derzeitigen Auftraggeber   … wenn Ihr Euch seiner Sache anschließt.«
    Meris wusste, dass es ein verzweifelter Versuch war. Aber hatte der Ritter nicht eben selbst verkündet, dass er nur ein Söldner war und sich gern Freiheiten herausnahm? Es gab Kreise, wo man so etwas als Bitte um eine Bestechung auslegen konnte.
    Der Ritter blickte über die Schulter zu dem Edelmann im Hintergrund. »Von Lichtingen, habt Ihr das gehört? Sie macht mir ein besseres Angebot. Was sagt Ihr dazu?«
    »Ihr wisst, was ich dazu sage, Rhyl«, erwiderte der Braunhaarige gelassen. »Der Kaiser ist tot, und Tote zahlen nicht.«
    »Woher wisst Ihr das?«, fragte Meris.
    Der Mann grinste. »Das hat mir ein kleines Vögelchen gezwitschert.« Er zog ein Tuch von einer der Kisten, die neben ihm standen, und ein Käfig mit Tauben kam zum Vorschein.
    Der Auftraggeber musste also in der Hauptstadt sitzen, oder so nah daran, dass er vom Tod des Kaisers erfahren und Brieftauben an einen seiner Handlanger hatte schicken können. Aber das konnte er nur, wenn er bereits eine feste Verbindung nach Reppelen hatte, Verbindungsleute mit abgerichteten Tauben.
    Meris überlegte, wer in der Hauptstadt über ein solches Botennetz verfügte. Ihr fiel nur der kaiserliche Botendienst ein   – und der Hofrat würde nicht zulassen, dass ein anderer der bei Hofe lebenden Großen so etwas aufbaute.
    Also blieb nur jemand, der zwar nah bei der Hauptstadt wohnte, der jedoch unabhängig vom Hof war. Welche Herren gab es, auf die das zutraf und die reich und mächtig genug waren, um all das in die Wege zu leiten, was sie hier sah?
    »Ihr werdet dennoch keinen Erfolg haben«, sagte sie. »Die Prinzessin ist in Sicherheit. Sie wird es in die Hauptstadt schaffen und den Thron besteigen. Ihr solltet ihr lieber nicht im Weg stehen, denn sie hat immer noch die besseren Verbündeten an ihrer Seite.«
    »Dauras, meinst du?« Der Ritter mit der Axt lachte. »Schau nicht so überrascht. Natürlich wissen wir, mit wem wir es zu tun haben. Jeder Krieger, der etwas von seiner Kunst versteht, kennt Dauras den Schwertkämpfer. Dafür hat der selbst schon gesorgt: Dauras achtet darauf, dass alle Welt von seinen Taten erfährt. Ich glaube, dieser sogenannte Mönch kann nicht einmal eine Fliege totschlagen, ohne seinen Namen dabei hinauszuposaunen.
    Wir wussten, mit wem die Prinzessin unterwegs ist, bevor wir zum ersten Mal auf euch stießen. Und wir konnten uns darauf vorbereiten.«
    Meris schnaubte verächtlich. »Ich sehe schon, was Euch das nutzt. Ihr könnt Witze über ihn machen, solange er nicht da ist. Trotzdem ist er Euch entkommen, und er hat sechsEurer Männer getötet. Glaubt Ihr wirklich, dass Ihr ihn besiegen könnt?«
    »Ich? Ihn besiegen?« Der Ritter schüttelte den Kopf. »Ich bin nur ein Verdammter auf dem Weg in den Abgrund. Im Laufe der Jahre habe ich so manchen besiegt, der im Tempel des Schwertes ausgebildet wurde. Sogar ein paar von den verfluchten Priestern habe ich schon erschlagen. Aber Dauras der Seher   … das ist eine ganz eigene Sache. Wer hätte nicht darüber nachgedacht, wie man diesen sagenumwobenen Schwertkämpfer bezwingen kann? Nun, ich kann es jedenfalls nicht.«
    Der Ritter hatte die Hand zu seinem Gürtel geführt und legte sie nun zur Faust geballt auf den

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