Das Schwert des Sehers
stellte ein paar mit Tüchern bedeckte Kisten neben ihm ab.
Die Krieger zogen Meris derweil nackt bis auf die Haut aus. Sie durchsuchten jede Falte ihrer Kleidung. Was sie fanden, sammelten sie auf dem einzigen Tisch, den sie bei der Tür hatten stehen lassen – mehrere Dolche, Schreibzeug, eine Drahtschlinge, Schmuck, Ringe … Als sie die große Geldkatze des Hofrats entdeckten, pfiff einer der Männer durch eine Zahnlücke. Er wog die Lederbörse in der Hand und ließ die Münzen darin klimpern. Schließlich kippte er den Inhalt auf den Tisch. Meris bemerkte, dass keiner der Männer sich an dem goldglänzenden Haufen bediente. Die Krieger waren sehr diszipliniert.
Auch die wenigen Münzen aus Meris’ privatem Säckel wanderten auf den Haufen.
»Wir haben alles, was sie bei sich hatte«, rief einer der Männer.
»Was machen wir jetzt mit ihr, Hauptmann?« Ein weiterer Krieger trat auf Meris zu. Er zwang sie, zu ihm aufzublicken. »’s ist nicht die, für die wir bezahlt werden.«
»Wir werden sehen, wofür wir sie brauchen können«, antwortete eine Stimme vom Flur her. Ein Ritter betrat den Raum. Es war ein kleiner Mann, und er wirkte schmal, doch Meris bemerkte die Muskeln an den Unterarmen, die ausdem Lederwams hervorschauten. Er sah nicht halb so wohlhabend aus wie der Edelmann mit den braunen Haaren, aber doppelt so sehr wie ein Krieger.
Seine Haare waren schwarz und kurz geschoren, das Gesicht darunter vom Wetter gegerbt. Dennoch schätzte Meris, dass der Mann nicht viel älter war als sie selbst. Sie konnte sich vorstellen, dass er vor zehn Jahren sogar recht hübsch gewesen sein mochte, auf eine elegante und zierliche Weise, ein ansehnlicher Jüngling von Stand, mit schwarzen Locken und dem Charme der südlichen Provinzen. Heute hatte er einen verkniffenen Zug um die Mundwinkel, der ihn hart und verbittert aussehen ließ.
Er hatte ein Kettenhemd an und hielt eine Axt in der Hand, die im Licht der Lampen wie Gold schimmerte, eine Axt mit einem eigentümlich geformten Blatt: eine kreisförmige Scheibe, aus der drei dreieckige Zacken herausragten. Das heilige Zeichen des Gottes Bponur.
»Bringt sie her«, sagte der Ritter. Er trat an den Tisch und hieb die Axt in die Platte. Ein Zacken blieb im Holz stecken. Die Münzen sprangen und klimperten. Der Ritter setzte sich auf einen Stuhl.
Drei Männer zogen Meris hoch und zerrten sie zu dem Tisch. Sie drückten sie auf den Platz dem Ritter gegenüber. Wenn Meris gehofft hatte, dass sie wenigstens eine Decke bekommen würde, sah sie sich getäuscht. Sie fröstelte und legte schützend die Arme vor die Brust.
Der Ritter untersuchte ihre Ausrüstung gründlich. Er nahm einen Ring zwischen zwei Finger. »Ein Siegelring des kaiserlichen Botendienstes. Und du hast ihn in der Kleidung getragen, nicht offen am Finger. Einer der Spitzel des Hofrats also, nehme ich an?«
»Und mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte Meris trotzig zurück.
Der Mann sah auf. Ein Lächeln trat auf seine Lippen, das die Mundwinkel jedoch nicht heben konnte. »Informationen sammeln bis zum Ende. Ich bewundere dieses Pflichtgefühl. Taugt es als Schutzschild gegen die Sorgen, die dich in diesem Augenblick ohne Zweifel plagen?«
Sie bemerkte ein Funkeln in seinen Augen. Machte er sich über sie lustig?
»Und wie verträgt sich Euer Auftritt mit dem Ehrgefühl eines Ritters? Eine Dame zu entblößen und sie auszuplündern? Von den anderen Taten ganz zu schweigen.«
Der Ritter lachte. »Ich könnte darauf hinweisen, dass du keine Dame bist. Was mit irgendwelchen Mägden geschieht, berührt die Ehre eines Ritters nicht. Aber ihr Leute aus den Städten habt ohnehin kein Verständnis für diese Feinheiten des ritterlichen Lebens. Warum also sollten wir uns gegenseitig damit langweilen?«
Er beugte sich über den Tisch und streichelte fast zärtlich den Schaft seiner Axt. Meris bemerkte, dass die Waffe mit einer Schlaufe aus geflochtenem Leder an seinem Handgelenk hing. Ob sie tatsächlich aus Bronze bestand, die man es von den heiligen Waffen des alten Reiches sagte?
Bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass der goldfarbene Überzug an manchen Stellen abgeblättert und zerkratzt war. Grauer Stahl schimmerte darunter hervor. Die Axt war mit Kupfer überzogen, damit sie ein wenig mehr nach dem Symbol eines Sonnengottes aussah.
»Die Wahrheit ist«, sagte der Ritter, »ich habe keine Ehre. Ich habe meine Seele an einen Teufel verloren, und der steckt in diesem Beil. Einst
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